Hier bloggt die Wahlmobil-Mannschaft

So

27

Sep

2009

Wir müssen nur wollen

Angela Kauer
Angela Kauer

Das Wahlmobil war eine spannende Expedition. Irgendwo zwischen „autonomem Jugendzentrum" und ernsthaftem Journalismus sollten wir einen neuen Weg finden. Trotz Vorbereitung (vier Tage waren vielleicht doch ein bisschen wenig) war das ein ziemlicher Sprung ins kalte Wasser. Und mal ganz ehrlich: Rückenwind hatten wir auf dieser Reise nicht immer. Manchmal hat es uns ganz schön heftig ins Gesicht gepustet. Das hat uns mitunter gut getan, weil es uns wach gemacht hat. Gelegentlich hat es aber einfach nur Kraft gekostet - vor allem dann, wenn uns selbst nicht ganz klar war, weshalb wir jetzt so hin und her getrieben werden.

 

Doch trotzdem: Die meisten von uns sind an dem Projekt gewachsen und haben eine ganze Menge mitgenommen. Zum Beispiel, dass Online anders ist, Print aber auch und dass ein Text, der in der Zeitung stehen soll, die ein oder andere Hintergrundrecherche erfordert, die vielleicht hätte vorher erledigt werden sollen. Dass wir Absprachen gar nicht mit genug Leuten treffen können - und uns, wenn sie getroffen sind, dann kurz vorher am besten doch nochmal rückversichern. Dass man zwei Stunden an einem Zweieinhalb-Minuten-Video herumschneiden kann, dann trotzdem nicht die ganz große Filmkunst dabei herauskommt - aber manchmal eben doch. Dass wir großen Tieren ruhig auch mal auf die Füße treten dürfen - dass es für eine gute Geschichte aber oft reicht, ganz normalen Menschen einfach nur zuzuhören. Und - das hat mich persönlich am meisten überrascht - dass sich ausgeprägte Individualisten völlig problemlos in ein Team einfügen, wenn sie merken, dass es ums Ganze geht.

 

In den vier Wochen Wahlmobil, das geben wir gerne zu, kam gelegentlich ein ziemlicher multimedialer Gurkensalat heraus. Oft haben wir es aber auch geschafft, ein leckeres Vier-Gang-Menü aus Print, Online, Audio und Video zu zaubern, das - so unsere stille Hoffnung - den Geschmack der Leser, Hörer und User getroffen hat. Und genau da machen wir weiter. Versprochen!

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Fr

25

Sep

2009

Setzt Steinmeier die Kanzlerin in den Zug?

Sein Sakko hat Frank-Walter Steinmeier längst abgelegt, jetzt krempelt er sich seine Hemdsärmel bis zu den Ellbogen hoch. Gleich geht's auch hier, bei seinem Auftritt in Trier an der Porta Nigra, um die Kanzlerschaft. Kurt Beck, der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, gibt grade noch den Einheizer, stimmt die rund 3000 versammelten Genossen auf eine überzeugende Darbietung ein. So haben sie es jedenfalls geplant, die beiden SPD-Top-Politiker, Beck und Steinmeier.

 

Und dann hat Beck fertig, gesellt sich zum Clan der lokalen und regionalen SPD-Größen, die sich in solchen Wahlkampfzeiten üblicherweise im Gefolge der Top-Kandidaten bewegen. Das ist bei allen Parteien so, das demonstriert innerparteiliche Geschlossenheit und natürlich soll auch vom Glanze des jeweiligen Stargasts etwas auf die eigene Person abfallen.

 

Stargast Steinmeier selbst spricht in Trier rund 40 Minuten, er ist engagiert und er attackiert. Sympathisch an seiner Vorstellung - jedenfalls auf den ersten Blick - ist, dass er auch die eigenen Fehler anspricht. Natürlich steckt da eine Strategie hinter: Die Schwächen der SPD waren in den vergangenen Monaten derart offensichtlich - Steinmeier kann sie gar nicht verschweigen. Zweitens wiegen sie nicht ganz so schwer, wenn er verbal anschließend ordentlich auf FDP und Union draufhaut.

 

Das tut Steinmeier, muss er auch, weil er in den Umfragen zwar nicht mehr so weit hinter der Kanzlerin liegt, aber trotzdem noch arg zulegen muss, will er sie am Sonntag aus dem Kanzleramt kicken. Seine Frage an seine Trierer Fans deshalb: „Wer will denn eigentlich schwarz-gelb wählen?" Und, bezogen auf das Krisenmanagement der Kanzlerin: „Welche Idee, welcher Vorschlag kam denn von der Union?" Pause. „Keiner!", ruft da eine und Steinmeier meint: „Ja, was anderes fällt mir auch nicht ein." Zu Merkel selbst: „Sie will ne Zugfahrt machen, hat sich den Rheingoldzug gemietet, Tässchen Kaffee, Stück Kuchen, kann man ja machen. Aber der Zug fährt in die falsche Richtung. Nämlich in die Vergangenheit."

 

Das sind die pointierten Passagen seiner Rede und die kommen - wen wundert's - bei den Trierern am besten an. Auf Steinmeiers Wahl-Versprechen - etwa: das deutliche „Nein" zur Atomenergie, Mindestlöhne, keine Gebühren an Kitas und Unis, kurzum: mehr soziale Gerechtigkeit - reagieren sie verhaltener: Kann Steinmeier das wirklich durchsetzen? Erhält er überhaupt die Chance dazu?

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Do

24

Sep

2009

Pro Oropax: Ohne dich schlaf ich heut Nacht nicht

Nein, da lege ich mich definitiv fest: Ohne Oropax lief da aber so gar nichts. Gezeltet haben wir, die Wahlmobil-Crew, in Linz am Rhein, als Selbstversuch. Wissen wollten wir vier, was die Linzer empfinden, wie sie den ganzen Krach aushalten. Zunächst die Bahnstrecke mit ihren Güter- und Personenzügen, die mitten durch die Stadt brettern, dann die Bundesstraße 42, die parallel zu den Gleisen verläuft, zuletzt der Rhein und seine Schiffe.

 

Ja, summa summarum war das schon ziemlich viel Lärm auf einem Fleck. In unseren Zelten im Stadtgarten haben wir während dieser Nacht recht gute Eindrücke vernommen, sie gehört. Weil ich wenigstens ein paar ruhige Minuten haben wollte, habe ich sie mir von Beginn an in meine Lauscher gestopft, die Oropax. Verspottet haben meinen Zeltnachbarn - der selbigen Gedanken hatte - und mich, unsere beiden Kolleginnen noch. Authentisch sei das ja nicht, wenn schon denn schon. Jaja, gehört haben wir sie nur am Abend - vor dem Schlafengehen.

 

Während der sechs Stunden Aufenthalt im Wigwam haben wir gelauscht, wie sie stöhnten, jammerten, maulten: „Ähh, ich kann nicht schlafen, weil es hier verdammt noch mal so verdammt laut ist." Das heißt, wir haben es genüsslich geträumt - haha. Denn: Wir haben ja schließlich geschlafen wie die Steine - mit Oropax in den empfindlichen Ohren.

 

Und, wer am nächsten Morgen gespottet hat und wer gerädert aus allen Vieren aus dem Zelt gekrochen ist, das muss ich ja sicherlich nicht mehr erwähnen. Was die Authentizität betrifft: Die Oropax haben eben schlichtweg die Häuserwände simuliert - is doch logisch.

 

Alles klar? Ja, aber nur mit Oropax.

 

 

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Do

24

Sep

2009

Contra Oropax: Schlaflos in Linz

Angela Kauer
Angela Kauer

Zwei Stunden. Ganze zwei Stunden habe ich geschlafen. Ganz ohne Oropax. Und ja, ich bin müde. Wahrscheinlich sehe ich auch so aus. Aber ich bin auch stolz auf mich und meine Kollegin. Denn wir wissen, wie es sich wirklich anfühlt. Wenn auch nachts um zwei die Güterzüge die Bahnstrecke entlang donnern und der Krach tief in die Magengrube fährt. Wenn man sich dann auf dem Weg ins Land der Träume wähnt und unsanft zurückgerissen wird - vom Quietschen der Bremsen eines Lkw, der an der Ampel hält. Und wir wissen, wie es ist, um fünf Uhr in der Früh endlich ein Auge zuzuhaben. Und es gleich wieder aufzureißen, weil die Rheinfähre zu ihrer ersten Tour ablegt.

 

Ganz genau so geht es vielen Linzern - und noch mehr Menschen rechts und links entlang des Rheins. Oft trotz Schallschutzfenstern. Weg wollen die meisten trotzdem nicht. Und, liebe Kollegen, wir wissen warum. Denn was Ihr wegen Eurer Oropax nicht gehört habt, wir haben auch das mitbekommen: Die Vögel, die morgens in den Rheinauen zwitschern. Die Kinder, die mit der Bahn ankommen und nur noch ein paar Meter zur Schule laufen müssen. Das Bäckerauto, das klingelnd durch die Gassen fährt. Sprich alles, was die Lebensqualität der Orte am Rhein ausmacht und was dafür verantwortlich ist, dass sich die Menschen hier zuhause fühlen.

 

Ohne Oropax an der Rheinschiene übernachten - ich würde es wieder tun. Im Zelt aber vielleicht doch nur noch einmal.

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Mi

23

Sep

2009

Das große Liberalala

Markus Gerhold
Markus Gerhold

Gerade hat vorne am Rednerpult im großen Saal des Kurfürstlichen Schlosses in Mainz Dr. Guido Westerwelle einmal mehr das Mantra seiner Partei, deren Spitzenthema im Wahlkampf - nicht nur in diesem - beschworen: Die Steuern müssen runter, Subventionen abgebaut und der Mittelstand entlastet werden, sagt der Parteivorsitzende der FDP. Und um mich herum beginnt das große Klatschen.

 

Es ist der Abend fünf Tage vor der Wahl. Die Liberalen haben sich festgelegt: Entweder schwarz-gelb oder gar nichts. Auch das beschwören sie in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt. Und so wirkt die Rede des Parteivorsitzenden: Es ist das große Austeilen gegen die SPD und deren Politik, die ja in den vergangenen vier Jahren auch die der CDU war. Aber genau das klammert Westerwelle aus. Nur einmal gönnt er sich eine spitze Bemerkung in Richtung der „ansonsten von mir sehr geschätzten Kanzlerin Angela Merkel" und kritisiert ihre Reise nach Grönland als medienwirksamen Ausflug - das war's. Ansonsten wird nur von der verfehlten Politik der Regierung gesprochen, die Buchstaben C, D und U fallen in diesem Zusammenhang nicht mehr. Nichts, so entsteht der Eindruck, soll den künftigen Koalitionspartner verschrecken. Schließlich droht ja auch die Fortsetzung der großen Koalition.

 

Hat sich die FDP durch die Koalitionsaussage zu sehr festgelegt? Das hätten wir Westerwelle gern gefragt. Aber jenseits des Rednerpults bleibt dem Wahlkämpfer keine Zeit für ein kurzes Gespräch. Der nächste Termin ruft, heißt es aus seinem Umfeld. Das nächste Publikum will mit Sätzen wie „Leistung muss sich lohnen" oder „Die Abwrackprämie ist ein Denkmal verfehlter Politik" beeindruckt werden...

 

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Mo

21

Sep

2009

Atomkraftgegner bringen Merkel in Fahrt - etwas

Jan Lindner
Jan Lindner

Für ihren Einmarsch in Mainz haben die Wahlkampf-Choreografen der CDU die rockige Variante gewählt: Es ist nicht „Angie", die schwermütige Ballade, die Mick Jagger aus den prallen Boxen trällert. Nein, Bundeskanzlerin Angela Merkel schreitet zu den kraftstrotzenden Klängen von „Start me up" - wieder Rolling Stones - aufs Podium. Ein Appell an jeden Einzelnen der rund 5000 Menschen im Publikum etwa? Falls ja, hat er Merkels Mainzer Fans nicht erreicht.

 

Eine halbe Stunde redet die Kanzlerin, sachlich, manchmal engagiert. Sie teilt ein paar Stiche in Richtung SPD aus, die nicht so recht weiß, was sie mit Gregor Gysi und Oskar Lafontaine anstellen soll. Merkel streift die Themen, die die Menschen bewegen - Wirtschaftskrise, Arbeitslosigkeit, Rente, Bildung und Familie etwa. Allein: Die Menschen, die Zuschauer, bewegt sie nicht so recht. Die meisten Passagen goutieren sie mit anständigem Applaus. Mehr nicht.

 

Da will auch das aufmunternde, auffordernde Klatschen ihrer CDU-Parteifreunde nicht helfen. Brav haben sie sich links auf der Bühne positioniert, das Rednerpult ist rechts. In der ersten Reihe stehen Ute Granold (MdB für Mainz-Bingen) und Christian Baldauf (Oppositionsführer in Rheinland-Pfalz), aus Reihe zwei lächeln etwa Julia Klöckner (MdB für Bad Kreuznach) oder Johannes Gerster (ehemals CDU-Landesvorsitzender in Rheinland-Pfalz).

 

Es sind die 30 Atomkraftgegner, die endlich für etwas Stimmung sorgen. Immer wieder greifen sie vereinzelte Wörter auf, gerne auch aus Merkels Rede - etwa Neid, Arbeit oder Lüge - und skandieren sie im Chor. Sehr wohl hatte Merkel die etwa 30 Protestanten zuvor schon in der Menge erspäht, hatte sich bei Granold erkundigt, mit ihr abgesprochen. Es mag ein Treppenwitz sein, dass es gerade diese Gruppierung ist, die wiederum den größten Applaus der ansonsten so braven CDU-Anhänger auslöst. Zweimal nämlich kontert die Kanzlerin diese ihr weniger wohl gesinnten Zwischenrufe: „Ich würde mir wünschen, dass Sie Fähigkeiten zum Zuhören hätten und außer ,Hurra!' auch mal was anderes sagen würden." Die Merkel-Fans sind begeistert und zeigen es auch. Endlich mal.

 

Die Atomkraftgegner versuchen es nun zwar mit ein paar Dezibel in der Stimme mehr. Wirkliche Unruhe stiften sie nicht, Eier und Tomaten sausen nicht durch die Lüfte. Dabei hatten Merkels Bodyguards doch schon ihre orangefarbenen Regenschirme auf dem Podium positioniert.

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Mo

21

Sep

2009

Schwarze Zukunft für die weiße Tradition

Jan Lindner
Jan Lindner

Manfred Ludwig ist nachdenklich geworden: Ist es überhaupt richtig, dass sein 23-jähriger Sohn Stephan den Bauernhof eines Tages einmal übernehmen soll? In diesen Zeiten, in denen der Milchpreis derart im Keller dümpelt, dass Ende des Jahres viele seiner Kollegen keine Kredite mehr bekommen werden.

 

Manfred Ludwig, Bauer aus Monreal, ist sich da nicht mehr so sicher. Es ist so, als ob er diese Frage nicht nur an sich richtet, sondern auch an uns Wahlmobilisten, die wir nur einige Jahre älter sind als Stephan. Immerhin führt Manfred Ludwig den Schnürenhof mit rund 70 Milchkühen zusammen mit seiner Frau Ursula, seinem Sohn und einem Gehilfen schon als sechster in der Erbfolge. Den Familienbetrieb soll es auch in der Zukunft geben. Irgendwie.

 

Aktuell jedenfalls ist das Geschäft mit der Landwirtschaft - das Gewerbe mit Milch, Kühen, Schweinen und Getreide - keins. Die 20 bis 24 Cent pro Liter, die derzeit auf dem Markt gezahlt werden, stehen den Ausgaben für Futter, Gebäude, Strom, Wasser, Versicherungen, Tierarzt, Traktoren und Maschinen gegenüber - Lebenshaltungskosten exklusive. Vor drei Jahren konnten die Bauern noch 35 Cent verlangen, damals, als die Lobby gegenüber den Discountern noch eine ganz andere, eine viel bessere war. Ludwig fehlen nun monatlich zwischen 6000 und 7000 Euro. „Wir, meine Familie und ich, leben rein von Krediten. Und das schaffen wir nicht mehr lang", sagt der 50-Jährige.

 

Deshalb hilft Ludwig und seinen Leidensgenossen Bauern im Moment nur noch eines: in den nächsten ein bis zwei Jahren deutlich unterhalb der Milchquote produzieren - und zwar EU-weit. „Die restliche Milch müssen wir in die Gülle kippen", meint Ludwig. Hilft ja alles nichts. Für 20 Cent jedenfalls „können wir keine Milch produzieren, das ist klar". Ihn ärgert es auch, wenn er sieht, dass Discounter Lebensmittel im Angebot als Lockmittel für ihre Reklame verwenden: „Milch und andere Lebensmittel dürfen einfach nicht verramscht werden. Man darf sie nicht unter ihren Produktionskosten verkaufen." Punkt.

 

Bei all dem Frust, einer Perspektive, die allein auf porösen Säulen der Hoffnung bedenklich vor sich hinwackelt, der Existenzangst, einem Arbeitstag, der um fünf Uhr in der Früh beginnt, um zehn Uhr abends endet, ja, ist es da wirklich richtig, dass sein 23-jähriger Sohn Stephan die Familientradition fortführt? Einerseits ja, denn: Ein Bauer wie Ludwig malocht allein für den eigenen Hof. Andererseits: „Je älter man wird, desto frustrierender ist es. Man investiert immer nur und plant und plant, wie es denn nur weitergehen kann." Wie, das weiß er selbst im Moment auch nicht.

 

 

 

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Sa

19

Sep

2009

Das Spiel um den Wähler

Irgendwie ist doch auch Politik wie Fußball

Markus Eschenauer
Markus Eschenauer

Bestes Wahlstand-Wettkampf-Wetter in Idar-Oberstein und Bad Kreuznach. Alle Parteien haben sich gut vorbereitet, sind seit Wochen im Training und gewillt, ihr Bestes zu geben. Alle wollen die Gunst der Zuschauer auf der Wähler-Tribüne gewinnen.

 

Die vier Mannschaften laufen zunächst im Idar-Obersteiner Stadion "Fußgängerzone" auf. Die CDU in orangefarbenen Trikots. Die SPD trägt Rot, die Linke läuft in derselben Farbe auf, was zu Verwechslung mit den Spielern der Sozialdemokraten führen könnte. Aber andere Trikots haben sie nun mal nicht. Die Grüne spielen auch mit - klar: in Grün. Nur die Mannschaft der FDP fehlt heute. Wo kann sie sein? Verletzungsbedingte Aufgabe? Unwahrscheinlich. Das liberale Team ist doch derzeit eigentlich in guter Form. Unter den Augen Hunderter - noch nicht ganz interessierter - Zuschauer pfeift Schiedsrichterin Demokratie das Hinrunden-Spiel im Wahlstand-Wettbewerb trotzdem an.

Die SPD ist zunächst im Ballbesitz. Nach einer weiten Lippenstift-Flanke zappelt der Wähler im Netz. Jubel. Das Publikum ist sicher: So etwas hat man an einem Wahlstand in der Schmuckstadt noch nicht gesehen. Die Gegner sind überrascht, finden aber schnell zurück ins Spiel. Eine Waffel-Ecke der Sozialdemokraten kann die Abwehr der CDU abfangen, stürmt in T-Shirts mit dem Namen ihrer Spielführerin nach vorn und feuert orange leuchtende Luftballons in Richtung des sozialdemokratischen Gegners. Die schießen zurück - sogar in Herzform. Doch was ist das? Die Linken greifen ins Geschehen ein. Mit harten Afghanistan-Hartz-VI-Grätschen von links erobern sie sich immer mehr Spielanteile. Aber dieses Spiel ohne großen Krimskrams-Schnörkel ist nicht jedermanns Sache. Die Grünen spielen unterdessen zwar mit, haben aber noch nicht an die Leistung früherer Wettkämpfe anknüpfen können. Schlusspfiff in Idar-Oberstein. Die großen Akzente konnte keine der Mannschaften setzen - aber vielleicht klappt's ja im Rückspiel in Bad Kreuznach.

 

Tanja Krauth, die Spielführerin der Linken, stand im Hinspiel auf dem Platz und greift diesmal nicht ins Geschehen ein. Die übrigen Mannschaften scheinen mit der vorhergehenden Leistung nicht zufrieden gewesen zu sein und schicken ihre Kapitäne ins Match. Die zeigen allesamt eine souveräne Leistung. Nur die Grünen-Spielführerin fehlt. Dafür hat die Partei ihre Jugendmannschaft auf den Platz gestellt. Die Neueinkäufe bringen mit ungewöhnlichen Kombinationen Spannung ins Spiel. Das ist nicht nur schön anzuschauen, sondern setzt auch die anderen Teams unter Druck. Doch die Klöckner-Abwehr und das Körper-Mittelfeld können dagegenhalten. Vor allem die Kapitäne sorgen für Schwung im Spielaufbau: Klöckner etwa brilliert mit Lächel-Freistößen und Herumwirbel-Attacken. Zwischendurch überlässt sie jedoch ihren Helfern das Feld und sitzt auf der orangefarbenen Bank.

 

Die Zuschauer sehen bei bestem Wahlstand-Duell-Wetter ein ausgeglichenes Spiel - allerdings mit wenigen Glanzlichtern. Ob sie alle beim nächsten Mal wieder dabei sein werden, wird sich zeigen. Denn wirklich gelohnt hat es sich nicht. Aber wenigsten hat's auch keinen Eintritt gekostet.

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Fr

18

Sep

2009

Ein klammes Gefühl geht mit

Sine Weisenberger
Sine Weisenberger

Das Wahlmobil zu Besuch in der Justizvollzugsanstalt Diez: Ein wenig komisch war uns dabei schon zumute. Keiner von uns hatte bisher ein Gefängnis von innen gesehen. Was würde uns dort erwarten?

In Diez angekommen, müssen wir erst mal unsere Personalausweise abgeben. Das Mitnehmen von Handys ist grundsätzlich verboten. Für unsere Ausrüstung konnten wir immerhin eine Ausnahme-Genehmigung erwirken. Sie wird detailliert durchleuchtet.

 

In Begleitung werden wir schließlich durch fünf zum Teil Panzerschrank-dicke Türen geschleust, bis wir in der „Strafvollstreckungskammer“ Mikrofon, Block und Kamera auspacken dürfen. Die Kammer ist ein karger Raum mit zwei Tischen und einer Handvoll blau gemusterter Stühle. Vor dem Fenster schneiden fingerdicke Gitterstäbe und Stacheldraht den blauen Himmel in Puzzlestücke.

 

Wer in der JVA Diez eine Zelle bezieht, tut das schließlich nicht wegen einer Bagatelle. Die Haftstrafe der Insassen währt mindestens eine Legislaturperiode lang. Sie haben hier keinen Zugriff aufs Internet, private Telefonate sind auf zehn Minuten begrenzt und werden mitgehört. Angehörigen wird vier Stunden Besuchszeit pro Monat eingeräumt.

 

Anstaltsleiter Dr. Jörg Schäfer stellt uns schließlich Guido S. (44) vor. Er sitzt bereits seit einigen Jahren in Diez ein. Mit einem lässigen „ja, klar“ gestattet er uns, Teile des Gesprächs in Bild und Ton aufzunehmen.

 

Im Knast hat Guido S. angefangen zu studieren, auch in der Gefängniszeitung hat er eine Weile mitgearbeitet. So politisch interessiert wie er, sagt er, sind hier nicht viele Mithäftlinge. Dafür sei die Welt da draußen zu weit weg. Die Lethargie tut ihr Übriges. Wählen werden daher die wenigsten. Das ist die Quintessenz. Guido S. verabschiedet sich mit Handschlag, und wir treten wieder die Sicherheitstüren-Odyssee nach draußen an. Das klamme Gefühl geht mit.

 

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Do

17

Sep

2009

Erschreckend inkonsequent

Denise Bergfeld
Denise Bergfeld

Die Nachfrage regelt den Markt. So funktioniert das mit den Eiern von Hühnern aus Käfighaltung, den Tomaten aus Spaniens Gewächshäusern oder auch mit Pelzmänteln, über die wir uns so fürchterlich aufregen können. Dabei wäre die Lösung so einfach: Was nicht gekauft wird, ist schnell für den Produzenten uninteressant und verschwindet vom Markt. So ähnlich ist das auch beim Strom. Jeder Verbraucher kann frei entscheiden, ob er seinen Strom aus Atommeilern oder von Windrädern beziehen will.

 

Gerade in der Umgebung von Mülheim-Kärlich möchte man meinen, dass sich die Menschen sehr wohl darüber Gedanken machen, was Atomenergie bedeutet. Über Risiken, Zukunft, Ziele und Kosten. Denn sie werden jeden Tag durch den noch weithin sichtbaren Kühlturm des Kraftwerks daran erinnert. Und ganz ehrlich: Wer möchte schon ein Kern- oder Kohlekraftwerk direkt vor der Haustür wissen? Doch die Realität sieht offenbar anders aus.

 

Wir haben zum einen gefragt, was die Anwohner bei dem Gedanken empfinden, dass irgendwann in Mülheim-Kärlich vielleicht einmal wieder ein Atomkraftwerk oder gar ein neues Kohlekraftwerk ans Netz gehen könnte. Fast alle Anwohner formulierten, dass ihnen die Vorstellung Angst und Unbehagen bereitet. Dann die Frage, welchen Strom sie selbst beziehen. Dabei offenbarte sich folgendes: Die meisten der Befragten beziehen ihren Strom vom regionalen Grundversorger. Ein Mix, der unter anderem zu rund 16 Prozent aus Atomstrom besteht. Einige meinten sogar, dass sie nicht bereit seien, ein wenig mehr für Ökostrom zu zahlen. Hauptsache billig. Erschreckend inkonsequent.

 

Nur ein einziger unserer Gesprächspartner zeigte sich wirklich konsequent. Ein Atomkraftbefürworter und Anwohner aus dem nahegelegenen Urmitz. Ihn würde es nicht stören, wenn das AKW in der Nähe wieder ans Netz ginge. Einziger Nachteil wäre, dass die Grundstückspreise wieder sinken, sagte er. Woher der Strom kommt, ist ihm egal. Hauptsache günstig. Wenigstens ehrlich.

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Mi

16

Sep

2009

Der Landarzt - Bald nur noch im TV?

Norbert Martens
Norbert Martens

Stellen Sie sich vor, Ihr liebster Mensch erleidet einen schweren Herzinfarkt oder Schlaganfall, und kein Arzt ist in der Nähe. In einigen ländlichen Regionen von Rheinland-Pfalz ist dies schon bittere Realität, weil Hausärzte keine Nachfolger für ihre Praxen finden. Gerade ältere und wenig mobile Menschen müssen deshalb häufig einen langen und mühseligen Weg zum Arzt in Kauf nehmen.

 

Doch warum sind Dörfer in der Pfalz oder im Westerwald so unattraktiv für junge Mediziner? Wie immer geht es ums Geld. Dieser Meinung ist Dr. Olaf Döscher von der Kassenärztlichen Vereinigung - selbst Hausarzt in Bad Salzig. Allgemeinarztpraxen, gerade auf dem Land, haben einen hohen organisatorischen Aufwand - der Nerven und Geld kostet. Zu viel für zu wenig Honorar - eine ganz einfache Kosten-Nutzen-Rechnung. Ärzte sind schließlich auch nur Menschen.

 

Wie man sich helfen kann, beweist der kleine 718-Einwohner-Ort Winden im Rhein-Lahn-Kreis. Kein Arzt aber ein paar Heilpraktiker, die schon einige Leben per Nothilfe gerettet haben. Und demnächst wird am Dorfladen ein öffentlich zugänglicher Defribrillator installiert, damit geschulte Helfer aus dem Dorf diesen nutzen können, um Menschen ins Leben zurückzuholen. „Manchmal muss man sich eben selbst helfen, wenn kein Arzt in der Nähe ist", meint Bürgermeister Gebhard Linscheid.

 

Im Bundeswahlkampf spielt dieser Ärzte-Mangel keine Rolle, obwohl gerade ältere Leute vom Lande zu den treuesten Wählern gehören. Es wäre doch schade, wenn diese ihrem Landarzt bald nur noch in einer Fernsehserie sehen.

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Di

15

Sep

2009

Merkel hat eine große Chance verpasst

Michael Bongard
Michael Bongard

Für genau 31 Minuten hat Angela Merkel Koblenz ihre Aufwartung gemacht. Die Bundeskanzlerin war im legendären „Rheingold-Express" anlässlich des 60. Jahrestags der Kanzlerkrönung Konrad Adenauers auf der Durchreise von Bonn nach Berlin. Elf Tage vor der Bundestagswahl hatte Merkel bei ihrem Koblenzer Kurzauftritt die Chance, viele Erstwähler für sich zu gewinnen. Die Möglichkeit hat sie verpasst.

 

Knapp die Hälfte der 1500 Besucher kam gerade von der Schule. Entweder führte ein Wandertag zum Bahnhofsvorplatz oder die Politikstunde wurde kurzerhand zu Angela Merkel verlegt. Die Bundeskanzlerin war über die Anzahl der Nachwuchswähler überrascht, als sie um 10.42 Uhr vor das Publikum trat: „Es ist schön, dass viele junge Leute hier sind. Für Euch wird das heute eine besondere Geschichtsstunde."

 

Damit traf sie allerdings nicht den Nerv der jungen Leute. Dass Adenauer vor 60 Jahren zum Kanzler gewählt wurde oder dass vor 20 Jahren dank Helmut Kohl die Mauer fiel - das alles hörte sich gut an, doch für die Hälfte der Zuhörer war dies einfach nicht greifbar. In ihrer Zwölf-Minuten-Rede richtete Merkel außer ihrem Hinweis an die „Gratis-Geschichtslektion" kein Wort an die jungen Erwachsenen. Logisch, dass Erstwähler wie Patrick Hessel (18) enttäuscht von dannen zogen: „Das war kein berauschender Auftritt. Merkel hat nichts Konkretes gesagt. Als Erstwähler kannst du von so einem Auftritt nichts mitnehmen."

 

Die junge Generation hätte gerne von der CDU-Frontfrau gehört, was auf sie in der Zukunft zukommt, welche Perspektiven sie haben. Merkel stieß jedoch nur die üblichen Wahlkampf-Parolen aus: „Wir kommen aus der Krise. Ja, wir schaffen das!" Das hörte sich schwer nach Bob der Baumeister an - und der trifft ja auch nicht (immer) den Geschmack der jungen Leute.

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Mo

14

Sep

2009

Frust und Unlust

Katharina Dielenhein
Katharina Dielenhein

Neue Woche, neue Crew. Schon am ersten Tag, an dem wir im Wahlmobil sitzen, treiben wir es zu neuen Höchstleistungen. Einen regelrechten Marathon hat unser Auto heute bereits hinter sich gebracht: 203 km Hinweg, 203 km Rückweg. Bis heute der längste Weg, den der Opel in seiner Zeit als Wahlmobil zu fahren hatte. Unser Ziel? Die Agentur für Arbeit in Pirmasens. Unser Wunsch? Mit Menschen sprechen, die die Arbeitsagentur besuchen oder besucht haben und ihre Wünsche an die Politik erfahren.

 

Leichter gesagt als getan, denn viele Menschen wollten erst gar nicht mit uns reden: Sie rannten kommentarlos an uns vorbei oder sagten, sie seien beschäftigt. Wer sich dann doch für ein Gespräch bereit erklärte, schreckte allerspätestens beim Anblick unserer Kamera zurück. Ein Mann verließ sogar das Gespräch, nachdem es bereits begonnen hatte; den Grund dafür wollte er nicht nennen.

 

Doch je später es wurde, desto redseliger wurden auch die Menschen, denen wir begegneten. Und so kristallisierten sich im Laufe der Zeit, die das Wahlmobil vor der Arbeitsagentur Halt machte, doch noch einige Wünsche heraus, die Arbeitssuchende an die Politik haben: „Mehr Arbeitsplätze" und „Mehr Glaubwürdigkeit" sind nur zwei davon. Und schnell zeigte sich: Es herrscht Frust bei den Besuchern der Arbeitsagentur. Sie fühlen sich schlecht behandelt und schlecht bezahlt und haben - zumindest teilweise - Angst vor der Zukunft.

 

Erschreckend: Einige unserer Gesprächspartner sagten offen, dass sie nicht wählen werden. Ein Mann schwor sogar, nie wieder wählen zu gehen, weil es doch keinen Sinn habe und auch nicht besser werde.

Sich von der aktuellen Politik verlassen fühlen und nicht die Möglichkeit wahrnehmen, eine neue zu wählen - wie verträgt sich das?

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So

13

Sep

2009

Bingo! oder: Eine Sternstunde deutscher Debattenkultur(?)

Christian D. Thomas
Christian D. Thomas

Finanzkrise, Atomausstieg, Afghanistan, Dienstwagenaffäre, Gesundheitspolitik, Soziale Marktwirtschaft - fast alle aktuellen Themen der bundesdeutschen Politik haben Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier beim lange und mit Spannung erwarteten Kanzlerduell gestreift. Die Zuschauer im Audimax der TU Kaiserslautern spielten daneben Buzzword-Bingo - zweifellos die anspruchsvollere und spannendere Abendbeschäftigung.

 

Das Wichtigste vorneweg: Wer fundierte Argumente, inhaltliche Aufklärung oder gar Neues über die politischen Ziele der beiden Bewerber um das Amt des Bundeskanzlers erhofft hatte, der wurde vom Duell enttäuscht. Wer hingegen gut unterhalten werden wollte, beispielsweise durch rhetorisch geschliffene Wortwechsel à la Franz Josef Strauß und Herbert Wehner erwartete, der wurde auch enttäuscht.

 

Was also soll ein solches Kanzlerduell leisten? Inhaltliche Positionen austauschen, einen Diskurs über die Positionen liefern, so dass der mündige Bürger sich aus den Antworten seine Meinung zu Sachfragen bilden kann. Ja, zweifelsfrei. Das kann sich aber schnell im Dickicht der Statistiken totlaufen. Oder doch eher unterhalten? Ja, gerne - sofern das auf einem vergleichsweise hohen Niveau geschieht.

Praktisch wirkt das Duell zwischen Merkel und Steinmeier, als streite sich ein altes Ehepaar: Die Kinder sind aus dem Haus, alle Gemeinsamkeiten der Zweckehe aufgebraucht, eine Scheidung eigentlich geboten - aber neue, frisch-knackige Partner sind nicht wirklich in Sicht. So bleibt nur, vergleichsweise sanft miteinander umzugehen, sich auf eine neue Runde miteinander einzustellen - bis das der Tod sie scheidet.

 

Die von den Sendern gewählte Idee, einen Moderatorenwettstreit statt eines Kanzlerduells zu senden, kann jedenfalls nicht befriedigen.

 

Bei entspannt-gemütlicher Stimmung startete das Duell gleich mit einem Lacher, hervorgerufen vom Lächeln der Kanzlerin: Diese exquisite Mischung aus Qual, Freude, Blick und hängenden Mundwinkeln sorgte für Heiterkeit im Audimax in Kaiserslautern. Was folgt, ist eher mau: „Sollte", „könnte", „dürfte", „müsste" sind nicht gerade die stärksten Verben der deutschen Sprache. Kühne Entschlossenheit, visionäres Handeln, zielorientiertes Vorgehen und der Wille zu konzertierten Aktionen hören sich sprachlich anders an.

Merkels Dozieren ruft im Audimax beim Publikum eher gelangweiltes Gähnen hervor - die Enttäuschung über beide Diskutanten hält sich aber in sehr engen Grenzen: Die Zuschauer hatten ihre Erwartungen recht niedrig geschraubt.

 

Weit größere Aufmerksamkeit als das Fernsehduell zieht das vom AStA veranstalteten Bingo auf sich. Kaum verwunderlich, denn hier können die Zuschauer Jägermeister und Haribo gewinnen - seit jeher studentische Grundnahrungsmittel. Beim Klang des Worts „Finanzkrise" dann plötzlich erste Unruhe im Saal - das steht nämlich auf der Bingokarte. Die Flasche Kräuterschnaps sieht so mancher schon in seiner Hand, meint, das Gebräu seine Kehle herunterlaufen zu spüren.

 

„Bingo!" heißt's dann tatsächlich um 20.43 Uhr. Die ersten beiden Mitspieler haben eine Reihe durch. Gratulation! Während Steinmeier über das marktradikale Programm der CDU sinniert und Merkel die These aufstellt, Soziale Marktwirtschaft sei die Versöhnung von Kapital und Arbeit, läuft eine Wahlmobil-Blitzumfrage. Deren Ergebnis: Keiner der Kandidaten antwortet auf die gestellten Fragen, belastbare inhaltliche Positionen sind bislang mit der Lupe zu suchen. Wie erwartet.

 

Aber was ist das? Aufruhr in der Mitte? AStA-Referent Jan Olbricht hat gerade verkündet, dass für jeden Bingogewinn ab sofort Freibier ausgegeben wird. Damit ist klar: Beide Flaschen Jägermeister und die Tüte Gummibärchen sind weg - viel schneller als erwartet. „Wir waren wohl zu schlagwortlastig", gesteht der Referent für Hochschulpolitik später ein.

 

Diskrete Blicke über die Schultern der Zuschauer offenbaren Ernüchterndes: Die Mehrzahl ist mit dem Bingo-Spiel beschäftigt, andere spielen Computerspiele auf ihren Laptops. Spannend ist wohl was anderes, als dieses Duell.

 

So langsam nähern wir uns der Zielgeraden, gehen die 90 Minuten televisionäre Ödnis zuende, wünscht man sich inzwischen selbst üble Pöbeleien der Kandidaten - Hauptsache die tun mal was anderes, als sich nur mit den Journalisten zu kabbeln, einander ins Wort zu fallen und zu erklären, sie wollen „diesen Satz jetzt mal aussprechen."

 

Was bleibt am Ende von anderthalb Stunden öffentlich-rechtlich-privater Duellübertragung? Die Erkenntnis, dass es wohl doch eins war, aber nicht zwischen Merkel und Steinmeier, sondern zwischen den beiden Kandidaten und den vier Journalisten. Hauptthema: Wer darf wen wann warum unterbrechen und wer sollte wann wie lange ausreden. Aber ob's dafür anderthalb Stunden Fernsehübertragung braucht, kann man getrost bezweifeln.

 

Wer nun auf die Idee kommen mag, die junge Generation sei politikverdrossen oder gar desinteressiert, der irrt. Die Mehrzahl der vom Wahlmobil-Team Befragten wünscht sich fundierte inhaltliche Auseinandersetzungen, die Vorstellung lang- und mittelfristiger politischer Konzepte. Da kommen Erinnerungen an unser Interview mit „Unterhaltungskanzler" Lars Reichow in Mainz am vergangenen Donnerstag auf: Der beklagte auch die Mittelmäßigkeit und Farblosigkeit des politischen Personals in der Bundespolitik, wünschte sich charismatischere Figuren auf der politischen Bühne.

 

Die größten Lachsalven kommen bei der Frage auf, wie die SPD denn um die 28 Prozent bei der Wahl holen will und Illners Replik zu Steinmeiers Antwort, eine Regierungsbildung mit der Linken gehe nur über seine Leiche ("Nur über meine Leiche kann in der SPD recht schnell gehen."). Aber das fällt unter den Punkt der Realsatire.

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Sa

12

Sep

2009

Keine Frage nach dem Sinn

Damian Morcinek
Damian Morcinek

Er hat den Afghanistan-Einsatz der deutschen Streitkräfte wenige Wochen vor der Bundestagswahl verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit rücken lassen: Der von der Bundeswehr befohlene Luftangriff auf zwei von den Taliban gekaperte Tanklaster, bei dem in der Nacht zum 4. September eine bislang ungeklärte Anzahl von Menschen - darunter wohl auch Zivilisten - in der Provinz Kundus getötet worden sind.


Zwar befürworten alle im Bundestag vertretenen Parteien außer Die Linke eine Fortsetzung des Bundeswehreinsatzes im Norden Afghanistans, allerdings vorwiegend unter der Bedingung, dass dabei der Wiederaufbau von staatlichen Strukturen im Vordergrund stehen soll. Angestachelt durch das jüngste Ereignis, stellen sich wohl nun immer mehr Bürgerinnen und Bürger - darunter auch so mancher Politiker - die Frage nach dem Sinn und dem ersehnten Erfolg dieses Einsatzes.

 

Und auch wir Wahlmobilisten haben dem Thema „Bundeswehr in Afghanistan" im Vorfeld unserer Vorbereitungen eine hohe Bedeutung zugemessen. Jedoch zugegeben, ohne uns auch nur ansatzweise eine Antwort auf diese äußerst schwere Frage erhofft zu haben - erst recht nicht von den deutschen Soldaten, die in Afghanistan eingesetzt werden. Dennoch hat es uns gereizt, mit eben diesen Soldaten zu sprechen. Mehr und vor allem aus erster Hand über ihren Einsatz zu erfahren - ihre Erlebnisse zu hören.


Und dann sind wir plötzlich da. Nach unzähligen Anfragen per Telefon und E-Mail stehen wir auf dem Truppenübungsplatz Daaden im Westerwald - drei Nachwuchsjournalisten inmitten eines Trupps von Bundeswehrsoldaten, die ihre MGs keine Minute aus den Augen lassen. Mit dabei die Genehmigung, dem Feldjägerbataillon 251 bei seinen Vorbereitungen auf den bevorstehenden Afghanistan-Einsatz (November bis März 2010) über die Schulter blicken zu dürfen.


Journalisten zu Gast bei der Bundeswehr: „Klar, die wollen doch nur wissen, ob wir Soldaten den Einsatz im Kundus für sinnvoll und gerechtfertigt halten", mag sich der ein oder andere Feldjäger bei unserem Auftritt wohl gedacht haben. Umso angenehmer überrascht zeigten sich der Kommandeur des Feldjägerbataillons und der eigens für uns angereiste Pressestabsoffizier über unser reines Interesse an den Ausbildungsmaßnahmen vor Ort und den Aufgaben der Truppe im Kundus: Schulung von afghanischer Polizei, Personenschutz, Spurensicherung, und, und, und... Schnell sind wir in einem hochinteressanten, lockeren und mehrstündigen Gespräch. Einblicke in Theorie und Praxis gab es obendrein: Im freien Gelände wurde uns kurz der Umgang mit der Waffe, das Training von Bewegungsabläufen, und das gezielte Schießen demonstriert. Im Seminarraum ging es weiter mit einer Präsentation über die Durchführung eines Konvois.

IVWPixel Zählpixel

 

Und mag es nun Einbildung gewesen sein oder nicht: Ich für meinen Teil, meine in den Gesichtern der Soldaten gesehen zu haben, dass ihnen der Einsatz im Norden Afghanistans gewiss auch am Herzen liegt. Wie sagte gleich noch einer, der schon einmal dort unten war: „Der Auftrag ist fesselnd und vier Monate Hochspannung pur."

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Do

10

Sep

2009

Vom "Unterhaltungskanzler" zum Bundeswirtschaftsminister

Christian D. Thomas
Christian D. Thomas

Koblenz, 9.30 Uhr. Letzter Check der Ausrüstung. Kamera, Block und Bleistift, Mikro und Tankkarte sind eingepackt. Los geht's auf die Rennstrecke A61, Richtung rheinland-pfälzische Landeshauptstadt. Dort erwartet uns um 11 Uhr ein waschechter Kanzler: Deutschlands „Unterhaltungskanzler" Lars Reichow - stilecht im Arche-Nova-Raum des Deutschen Kabarettarchivs im Proviantamt. Zuvor gilt es aber, sich durch einen Papierberg zu graben: Historische Zeitungs- und Magazinartikel zur Situation des Kabaretts vor vierzig Jahren, zu Themen, Gruppen und Solisten und Ausschnitte der Kabarettgeschichte. Ich will dem Kanzler nicht mit Halbwissen entgegentreten, habe mir vor einigen Tagen noch mal das gesamte Oeuvre des Künstlers Lars Reichow zu Gemüte geführt. Vom „Klaviator" über das „Oenologische Quartett" bis hin zur heimlichen Hymne der rheinhessischen Metropole, dem „Mainz-Lied".

 

In Mainz angekommen, parken wir flugs vor dem Kabaretttheater Unterhaus - sehr passend. Wie immer ausgesprochen herzlich die Begrüßung durch Frau Meisenzahl am Empfang des Deutschen Kabarettarchivs. Dort treffen wir auf einen Kanzler, der sich vom Prototypen des deutschen Profipolitikers wohltuend abhebt: Unterhaltungskanzler Reichow ist entspannt, scherzt, wirkt nicht steif oder gar aalglatt. Auf Cohibas und Brioni-Anzüge verzichtet er, sein sportlicher Look suggeriert Nähe zum Menschen. Warum sich Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier um das Amt bewerben, kann er nicht verstehen: „Sie führen einen völlig aussichtslosen Wahlkampf, denn ich bin Kanzler, bleibe Kanzler. Lebenslang - wenn ich das denn will." Respekt, das ist Selbstvertrauen. Darf er auch haben, denn immerhin hat er sich selbst ernannt. Hmm. Auch eine Alternative zur demokratischen Wahl.

 

Gemeinsam mit Matthias Thiel, Mitarbeiter des Deutschen Kabarettarchivs, profunder Kenner der Materie und ihrer Historie, starten wir in ein fast anderthalbstündiges Interview. Los geht's mit Reichows Kabarettbegriff, arbeiten uns durch aktuelle Themen wie Opel und Bundeswirtschaftsminister zu Guttenberg und landen schließlich in einem kurzweiligen philosophischen Diskurs über das Politische Kabarett und seine Beziehung zur Tagespolitik. Während wir entspannt plaudern, schreibt Anna mit, notiert akribisch jedes Zitat. Damian filmt, fotografiert und twittert.

 

Wir kriegen gefühlte Tonnen von Material, super Statements in den Block und aufs Band und schöne Fotos. Eins davon - der Kanzler Reichow, ganz präsidial im historischen Biedermeiersessel sitzend - landet nur wenig später in der MRZ, denn die Mainzer Kollegen wollen einen kleinen Bericht auf ihrer Kulturseite, doch der dickste Brocken harrt noch seiner Erledigung: Ein anspruchsvoller Text für die Mantelkultur. Aber das kommt dann kommende Woche an die Reihe - zuvor geht es zurück nach Koblenz: Der Bundeswirtschaftsminister, Freiherr zu Guttenberg, tritt bei einer Wahlveranstaltung der CDU auf.

 

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Di

08

Sep

2009

In drei Schritten zum Kanzlerkandidaten

Moritz Meyer
Moritz Meyer

Schon beim Betreten des Pressebereichs war klar: Das hier ist nicht irgendeine x-beliebige Wahlkampfveranstaltung. Als wir Journalisten bei der Akkreditierung am Eingang aufgefordert wurden, unsere Personalausweise zur Überprüfung durch das BKA abzugeben, wussten wir, dass beim Außenminister und SPD-Kanzlerkandidaten sicherheitstechnisch ein anderer Wind weht, als beim Ortsverein in Münstermaifeld. Keine guten Voraussetzungen also für das Wahlmobil, den Großen Manitu der Sozialdemokraten noch ans Mikrofon zu bekommen. Aber wir wären nicht das Wahlmobil, wenn wir uns von einer paar Kühlschränken mit Sonnenbrille von unserer Mission abhalten lassen würden.

 

1. Versuch: Hinterhalt am Haus des Weins

Wir wussten: Vor dem großen Auftritt würde FWS sich kurz im Restaurant "Haus des Weins", direkt neben der Bühne am Gutenbergplatz frisch machen. Hier abseits der großen Masse hoffen wir, ihn kurz für drei Fragen beiseite nehmen zu können. Um 17.15 Uhr kommt der Außenminister an, begleitet von einer großen Entourage an Beratern, Sprechern, Bodyguards - und Ministerpräsident Kurt Beck. Der grüßt freundlich: "Hallo, was macht das Wahlmobil?" Aber der Ring um Steinmeier ist zu dicht und er zu sehr in Eile. Kein Durchkommen, Plan A ist gescheitert.

 

2. Versuch: Unauffällig unters Volk mischen

Nach dem großen Auftritt folgt natürlich das Bad in der Menge. An einem weißen Plastik-Stehtisch nimmt sich der Kandidat fünf Minuten Zeit für Autogramme und bürgernahen Smalltalk. Die Menschen umlagern ihn, der Wahlmobilreporter mittendrin. Mit dem Mikro in der Hand kämpfe ich mich bis zum Tisch durch, skeptisch beäugt von einem Securityposten, der wohl schon ein Messer oder ähnliches vermutet. Steinmeier ist freundlich, in zwei Sätzen stelle ich ihm das Wahlmobil vor. Wahlmobil-Fan Beck aus dem Hintergrund: "Das ist eine coole Aktion!" OK, der Löwe ist besänftigt, jetzt schnell die Fragen abfeuern. Denkste: Auch die Waffen der freien Presse sind hier nicht gern gesehen. "Kein Interview!", bellt ein Anzugträger von links. "Das Mikro, das Mikro!", schreit er noch hinterher und deutet auf einen Security. Also das geht jetzt aber doch zu weit! Ich umklammere mein Aufnahmegerät. Steinmeier ganz cool: "Gehen Sie mal zur Seite und warten, bis es ruhiger ist." Versuch 2 bringt uns dem Ziel näher.

 

Versuch 3: Im Clinch mit der Security

Kurz gewartet, dann kommt Steinmeier. Sofort umringen ihn wieder die Bodyguards und der Hofstaat. Jetzt gilt's. "Herr Steinmeier, ganz kurz..." Er blickt sich um, wird schon weiter geschoben. Und winkt mich heran. "Na, dann kommen Sie mal." Aber es ist noch nicht geschafft. Die Abwimmler geben nicht auf, ziehen den Ring um FWS enger. Aber jetzt kommt Unterstützung. Heike Raab, Generalsekretärin der SPD in Rheinland-Pfalz, springt mir zur Seite: "Ich schieb' sie einfach mit durch." Der Sicherheitszaun kommt näher, es wird enger, gleich bin ich durch, BAM! Da kommt der Body-Check eines Aufpassers: "Sie nicht!" bellt er. "Doch, der darf!", wirft sich Heike Raab dazwischen. "Wer sagt das?" - "Steinmeier!" - Na, also. Ich bin durch. Und Steinmeier wartet. Noch ein Foto mit den jungen Genossen und dann darf ich vortreten. "Eine Frage!", schärft mir noch ein Pressesprecher ein. Es werden zwei. Geschafft. Der große Manitu hat zu uns gesprochen.

Aber wir sind noch nicht am Ende: Am 15. September kommt SIE nach Koblenz. Wir suchen die ultimative Herausforderung und holen die Kanzlerin ans Wahlmobil! Wetten, dass...?

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Mo

07

Sep

2009

Enttäuschte Verlierer - strahlende Sieger

Marco Plein
Marco Plein

Interessant, auf welche Ergebnisse die Schüler der Alfred-Delp-Schule in Hargesheim (bei Bad Kreuznach) bei unsrer Probewahl gekommen sind. Sollte ganz Deutschland am 27. September so wählen wie die 15- und 16-Jährigen der Klasse 10a, dann wird Guido Westerwelle wohl in den nächsten vier Jahren nicht eine Sekunden aufhören, breit zu grinsen (man muss ihm ja nicht unbedingt sagen, dass an der Wahl nur 27 Schüler teilgenommen haben). Fast 30 Prozent für die Liberalen, das beste Ergebnis im ganzen Klassenzimmer, ein Wahnsinnsresultat für die FDP!

 

Nur 25,93 Prozent gab es hingegen für die CDU und die Bundeskanzlerin - das wird Angela Merkel ganz und gar nicht schmecken. Zumal die Schüler ihr in einer kleinen Umfrage bei den Punkten Kompetenz und Glaubwürdigkeit Bestnoten verliehen. Aber davon konnte sich Frau Merkel an der Hargesheimer Schule auch nichts kaufen.

 

Ein noch viel heftigeres Fiasko erlebten die SPD und die Grünen. Jeweils nur 7,41 Prozent. Wofür die Schüler die einstige Regierungskoalition wohl abstrafen wollten?

Auch 3,7 Prozent für die Linken (was nur einer Stimme entsprach) waren ein überraschend negatives Ergebnis - vor allem, wenn man bedenkt, dass rund 20 Lehrer (und der stellvertretende Alfred-Delp-Schulleiter) aus dem so linksstarken Saarland stammen.

 

Aber wo es enttäuschte Verlierer gab, da tauchten auch strahlende Sieger auf. Und so durften die Piraten über sensationelle, klassenzimmerweite 18,52 Prozent jubeln - die Piraten, etwa schon eine Volkspartei?

 

So weit wollen wir dann doch (noch) nicht gehen. Aber man darf gespannt sein, was passiert, wenn die Zehntklässler in vier Jahren bei der nächsten Bundestagswahl tatsächlich mitentscheiden dürfen.

 

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Sa

05

Sep

2009

Pseudo-Journalismus unter gutem Stern

Moritz Meyer
Moritz Meyer

Astrologin Kerstin Schillo ist sich sicher: Das Wahlmobil ist auf Erfolgskurs. Unser Geburtstagshoroskop ist jedenfalls eindeutig: Wir suchen die Öffentlichkeit und werden positiv wahrgenommen, sind mit Herzblut dabei und schaffen etwas, was dauerhaft Bestand haben wird (wer astrologisch kundig ist und nachprüfen will: Dienstag, 26. Mai 2009, 16.30 Uhr, Koblenz).

Nach einer Woche im Wahlmobil ist man fast geneigt zu sagen: Die Sterne - oder besser gesagt: die Planeten - lügen nicht. Die Resonanz hat uns jedenfalls positiv überrascht. Über Twitter, per E-Mail oder in den Kommentaren zu unseren Texten erreicht uns immer wieder viel Lob für unser Projekt. Unser Chefredakteur Christian Lindner schreibt uns stolz, dass er auf einer Tagung in der Schweiz auf das Wahlmobil angesprochen wird. Das Branchenheft "Medium Magazin" empfiehlt uns als "tolle Multimedia-Idee" weiter. Da kann einem die Schulter schon mal weh tun von soviel Geklopfe.

Goldenes Wahlmobil also? Ziel schon jetzt erreicht? Zum Glück gibt es auch Kritiker. Mancher mag es dabei unsubtil, wie der twitternde Berufspessimist @Sozialromantik, der uns "Pseudo-Journalisten" nennt. Aber manches ist auch berechtigt, wie der Tweet von @Fischkoppmedien, der zurecht die Qualität unserer Videos bemängelt. Auf dem bewährten Terrain Radio und Print schneiden wir ganz gut ab, aber mit der Kamera hapert es noch. Daran sieht man aber eins ganz gut: Auch wir springen gerade ins kalte Wasser und strampeln uns teilweise ganz schön ab. Nicht jeder, der eine Kamera an- und ausschalten kann, ist sofort ein Videojournalist. Eine Erfahrung jedenfalls nehme ich aus dieser Woche mit: Jedes Medium ist anders. Aber jedes erfordert volle Aufmerksamkeit, wenn man Qualität liefern will. Wir waren in der ersten Woche zu sechst und haben garantiert nicht immer das abgeliefert, was dem Anspruch von zwei großen Medienhäusern genügen würde. Dass so mancher älterer Redakteur auch mal über unsere Spielwiese hier spottet, ist deshalb nur verständlich.

Aber wie ich im ersten Blogeintrag schrieb: Wir betreten neue Wege. Dabei legt man sich auch mal auf die Schnauze. Aber wenn von jeder blutigen Nase, die wir uns holen, andere irgendwann profitieren können - seien es nachfolgende Vologenerationen bei RZ und RPR, seien es andere Medienhäuser, die Ähnliches ausprobieren wollen - dann klopfen wir uns auf die Schulter. In dem Fall hätte auch unsere Astrologin Recht gehabt: Denn dann hätte das Wahlmobil etwas geschaffen, das von Dauer ist.

 

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Fr

04

Sep

2009

Ein halber Plan B und etwas Glück

Markus Eschenauer
Markus Eschenauer

Einsam steht es da - das Fahrrad. Unter der Wahlmobilkofferraumklappe. Mit Decken provisorisch vor dem Regen geschützt. Traurig wirkt es. Egal! Wann holt endlich irgendjemand das Ding ab?

 

Erneuerbare Energien: Spannender Wahlkampf-Streitpunkt - also auch gutes, inhaltliches Wahlmobil-Thema. Stadtfest in Wörrstadt: Hunderte Menschen unterwegs - also auch viel Andrang am Wahlmobil-Stand und etliche Stimmen zum Thema Energie. So hatten wir es uns ausgemalt bei der Planung der fünften Station des Wahlmobils.

 

Um zu demonstrieren, wie viel Energie ein Atom- oder Kohlekraftwerk liefert, stellt uns das Studio Fitness-World extra das Fahrrad-Ergometer zur Verfügung. Wörrstadt soll strampeln und wir rechnen aus, wie hell die Glühbirne strahlt. Unser Stand: unmittelbar auf dem Marktplatz. Blickfang. Perfekte Organisation für einen keinesfalls perfekten Tag. Denn wir wissen zwar jetzt, wie Kilokalorien in Kilowattstunden umgerechnet werden und dass es nicht möglich ist, mit Menschenkraft ein Kraftwerk zu ersetzen. Doch auf unserem Fahrrad sitzt niemand. Ein Schlauchboot wäre besser.

 

Regen, Regen, Unwetter, Gewitter, Regen. Ein Bach mit dreckigem Wasser füllt einen See vor dem Süßigkeitenstand auf dem Kirmesgelände. Kein einziger Fest-Besucher zu sehen. Wenigstens hat ein Teil der Wahlmobil-Crew die Windkraft-Produktion der Firma Juwi besichtigt. Doch in unser Wahlmobil-Konzept passt dieser doch eher klassische Termin nicht.

 

Völlig entnervt sind wir kurz davor, nach Hause zu fahren. Die Laptops leer, der Chip der Video-Kamera kann nicht gelesen werden, kein UMTS-Netz - kurzum die Arbeit ruht.

 

Doch wir haben noch ein Ass im Ärmel. Kurt Beck soll an diesem Tag offiziell die Stadtrechte an Wörrstadt verleihen. Vorher zum Wahlmobil geschleppt, gibt er bereitwillig ein Interview. Schnell noch ein paar Fotos schießen, Video machen und los geht's. Von wegen! Das Fahrrad steht immer noch da und will von uns bewacht werden.

 

Doch was am Ende bleibt, ist nicht das Fahrrad. Auch nicht der völlig verkorkste Tag oder die Tatsache, dass wir, die sonnenverwöhnten Volontäre der ersten Wahlmobil-Woche, an Regen überhaupt nicht gedacht haben. Nein, was bleibt ist der erste Promi-Besuch am Wahlmobil und die Gewissheit, auch aus einer denkbar ungünstigen Situation immer noch irgendetwas machen zu können.

 

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Do

03

Sep

2009

Parteitreue hält ein Leben lang

M. Eckhardt
M. Eckhardt

Unsere Jugend braucht neue Vorbilder. Vor allem mit Blick auf das Thema Politik. Denn hier heißt die verbreitete Krankheit der jungen Generation oftmals "chronisches Desinteresse". Viele von ihnen sind sich sicher: Wozu wählen, es bleibt doch eh alles beim Alten. Also lassen wir's lieber.

 

Doch wer könnte diesen Politikverdrossenen ein Vorbild sein? Und wo ist dieses zu finden? Ganz einfach: In der Mitte unserer Gesellschaft.

Es sind die alten, erfahrenen Menschen, die auf ein bewegtes Leben zurückblicken, während sie ihren Lebensabend verbringen: unsere Rentner. Ihre Maxime lautet: Wählen ist die Pflicht eines jeden Bürgers. Und der kommen sie zuverlässig nach. Dabei erinnert ihre Parteitreue an eine vorbildliche Ehe: Sie hält ein Leben lang. Das ist bemerkenswert.

 

Wer sich mit einem solchen Vorbild unterhalten will, der sollte sich nach Bad Münster am Stein-Ebernburg begeben. Die Kurstadt ist die Hochburg der treuen Wähler.

Auch ich war dort. Und die Rentner haben mich ziemlich beeindruckt. 

Denn: Sie beschäftigen sich intensiv mit dem Thema Politik und haben den Durchblick. Dafür nutzen sie drei Quellen: Zeitung, Radio und Fernsehen.

 

Das Medium Internet ist ihnen meist fremd. Doch Euch Jugendlichen nicht. Deshalb nutzt es! Auch für Eure Interessen setzt sich eine Partei ein. Welche das ist, das könnt Ihr ganz leicht herausfinden.

Der Wahl-O-Mat macht's möglich. Klickt einfach hier.

 

Wenn Eure Großeltern wählen gehen, dann könnt Ihr das auch!

 

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Mi

02

Sep

2009

„Aktiv politikverdrossen“

Daniel Weber
Daniel Weber

Ja, mit der Politik ist das so eine Sache. Die einen interessieren sich dafür, die anderen nicht. Die einen setzen in sie Vertrauen, andere wiederum wenden sich mit Grauen von ihr ab. Die Krux ist, das „die Anderen" immer mehr werden. Der Anteil der Nichtwähler hat seit Jahren immer mehr zugenommen. Und so war vielleicht auch ein wenig Kalkül dabei, dass wir uns für Tag drei des Wahlmobils eine Fachhochschule für öffentliche Verwaltung als Station aussuchten. Wenn nicht dort, wo dann sollte es politisch interessierte Jugendliche geben? Werden es zehn sein oder 50, mit denen wir plaudern und unser Politiker-Memory spielen können? Egal, wir fahren los. A 61. 30 Minuten bis Mayen.

 

In der Aula saßen dann weit mehr als 200 angehende Verwaltungsmenschen. Gespannt auf das, was die Jungjournalisten da so spontan auf die Beine stellen würden und politisch durchaus im Bilde. Aber beim Raten kann man auch schon mal daneben liegen: Zum Beispiel wenn es darum geht, Passagen aus Wahlprogrammen den entsprechenden Parteien zuzuordnen. Sollen gleichgeschlechtliche Partnerschaften nun „voll gleichgestellt" (Grüne) oder nur „respektiert" (CDU) werden. Es sind Nuancen, die da heute den Unterschied machen.

 

Diese herauszufiltern ist mitunter mühsam, und vielen fehlen auch die klaren Antworten auf die großen Fragen. „Ich bin aktiv politikverdrossen", hat eine der Studentinnen heute bekundet. Das Zitat könnte auch auf einem Motto-T-Shirt stehen. Will sagen: Die Nachfrage an politischen Lösungen und Visionen ist da, allein das Angebot spricht viele nicht an. Und weil so viele wie die junge Frau in Mayen denken - kritisch aber eben keinesfalls desinteressiert - sollten Politiker und Parteien ihr „Sortiment" schleunigst erneuern, bevor es Staub ansetzt.

 

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Di

01

Sep

2009

Politiker-Reden: Ist der Ehrliche der Dumme?

Norbert Martens
Norbert Martens

Einer meiner Lieblingsfilme ist „Und täglich grüßt das Murmeltier". Darin bleibt Bill Murray in einer Zeitfalle stecken und erlebt jedes Mal den gleichen Tag aufs Neue. Genauso kommt es mir häufig bei Politiker-Reden vor. Irgendwie immer wieder das Gleiche und ganz schnell vergessen. In dem Film ist die Aufgabe des Murmeltiers, das Wetter zu prophezeien. Sieht es seinen Schatten, gibt es noch einen langen kalten Winter. Sieht das Murmeltier keinen, scheint bald die Sonne und der Frühling steht vor der Tür.

 

Dies ist ebenfalls eine Parallele zu den Politiker-Reden. Entweder steht uns eine endlos lange Krise bevor - mit einem wirtschaftlichen Niedergang auf das Niveau von Burkina Faso mit x-Millionen Arbeitslosen - oder es werden „blühende Landschaften" versprochen.

 

Das Katastrophen-Szenario wird gerne gewählt, um vor dem politischen Gegner zu warnen. Gerhard Schröder verstand es 2005 meisterlich, den Finanzfachmann der Union Paul Kirchhoff (Professor aus Heidelberg) als den Totengräber der sozialen Gerechtigkeit darzustellen, der mit dem Flat-Tax-Hackebeil auf die kleinen Leute losgeht. Die andere typische Politiker-Rede ist, das Blaue vom Himmel zu versprechen. Helmut Kohls „blühende Landschaften" sind das beste Beispiel und werden mit ihm in Verbindung bleiben wie die Kekse mit dem Krümelmonster.

 

Aber gerade von diesen Versprechen haben die Bürger gehörig die Schnauze voll. „Mehr Ehrlichkeit" und „die Wahrheit sagen" waren mit Abstand die häufigsten Antworten der Wahlmobil-Besucher in Altenkirchen, denen wir die Frage stellten: „Was sollten Politiker in einer Rede wirklich einmal sagen?" Bei Steinmeiers „Deutschland-Plan" mit vier Millionen neuen Jobs winkten viele Bürger gleich ab: „Unmöglich", „klappt doch sowieso nicht", waren die resignierten Antworten.

 

Allerdings gab es auch andere Stimmen: „Wenn die Politiker wirklich die Wahrheit sagen würden, mit dem wie es aussieht oder was sie vorhaben - dann würde sie keiner mehr wählen". Bestes Beispiel ist Angela Merkel, die im letzten Bundestagswahlkampf eine Mehrwertsteuer-Erhöhung um zwei Prozentpunkte ankündigte und hierfür auf Marktplätzen und in Polit-Talkshows von der SPD gnadenlos niedergebügelt wurde. Bevor Merkel mit dieser „neuen Ehrlichkeit" auftrat, lag sie in Umfragen noch 17 bis 20 Prozentpunkte vor Schröder. Am Wahltag war es nur noch einer.

 

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Mo

31

Aug

2009

Früh aufstehn - und stolz drauf

Markus Eschenauer
Markus Eschenauer

Wir Journalisten sind merkwürdige Geschöpfe: Stolz zeigen wir Familie und Freunden, wenn unsere Name oder nur das Kürzel unter einer Geschichte steht; stolz zeigen wir unseren Presseausweis vor oder klemmen das „Achtung-Presse-Schild“ hinter unsere Windschutzscheibe; stolz sind wir auch, wenn wir einen Menschen überzeugt haben, doch das von ihm geäußerte „passende“ Zitat veröffentlichen zu können.

 

Doch es gibt eine Sache, die der Volontär oder Redakteur noch lieber erzählt und das ist: „Ich musste sehr früh aufstehen!“. Dass das stimmt, merkt der Leser bei mancher großen Reportage. Die fangen nämlich oft folgendermaßen an: „Es ist 6.29 Uhr (eine Neun klingt immer besser als eine glatte Zeitangabe). Die Sonne geht langsam auf und streichelt mit ihren Strahlen den ICE-Bahnhof in Montabaur (Westerwaldkreis) wach. Es ist noch kalt – und wir sind müde. Mit Schlaf in den Augen, aber aufgeregt erreicht unser Wahlmobil-Team den Pendlerparkplatz. “

 

Nicht umsonst bezeichnen Dozenten diese Art der Schreibe bei Volontärsseminaren als „Parkplatz-Reportagen“.

 

Denn die eigentliche Aussage dieser Texte müsste lauten: „Schaut mal her, normalerweise stehen wir viel später auf, aber heute haben wir uns aus dem Bett gequält. Wir sind tolle Typen und machen uns deshalb trotz aller Wehwehchen an die Arbeit. Und weil wir so aufgeregt sind, teile ich das gleich mal allen mit“

 

Das Thema unseres ersten Wahlmobil-Tages war Mobilität und Pendler. Da mussten wir früh aufstehen. Hunderte Menschen pendeln jeden Tag mit dem Zug von Montabaur nach Köln, ins Rhein-Main-Zentrum oder noch weiter. Manche nervt’s, aber viele nutzen die Zeit auch sinnvoll, lesen Zeitung oder arbeiten bereits. Respekt. Denn das ist auf Dauer ungeheuer anstrengend. Die fürs Wahlmobil ganz einmalige Aktion „Mobilität“ hat den journalistischen Nachwuchs jedenfalls geschafft – und das schon am Montag.

 

Trotzdem haben wir uns am ersten Einsatztag als Pendler gefühlt. Rausfahren, rumfahren, hin- und herfahren und wir haben von unterwegs auf dem Parkplatz im Auto gearbeitet. Doch Pendler sind sicherlich koordinierter und haben viel mehr Erfahrung was entladene Laptop-Akkus oder nicht funktionierende UMTS-Verbindungen betrifft. Deshalb ist das Wahlmobil-Team noch dabei, seine Kinderkrankheiten zu heilen. Morgen bekommen wir die Probleme in den Griff – wahrscheinlich nicht ganz so früh und nicht auf einem Parkplatz.

 

 

 

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Sa

29

Aug

2009

Es kribbelt jetzt

Moritz Meyer
Moritz Meyer

Wir packen unsere Sachen und sind raus mein Kind, das Wahlmobil geht auf die Reise und hat Rückenwind. (frei nach Thomas D)

 

Es war irgendwann Ende Juli, als die Nerven blank lagen. An zwei Tagen hatten die Volos mit allen Frauen und Männern am Wahlmobil gearbeitet, bis die Köpfe leer gedreht waren. Und was war der Stand der Dinge: Wir hatten kein Auto. Dafür aber eine überbordende Themensammlung, die eine Zeitung ein ganzes Jahr gefüllt hätte. Und einen Plan, was dieses Wahlmobil mal werden sollte, hatte irgendwie immer noch keiner. Zu diesem Zeitpunkt sehnte wohl jeder von uns nur noch den 28. September herbei, auf dass dieser ganze Quark namens Bundestagswahl endlich hinter uns liegen möge.

 

Und jetzt? Am Montag geht das Mobil an den Start und bei jedem von uns kribbelt es. Es ist ein Abenteuer, auf dass wir uns einlassen und wir sind gespannt, was am Ende heraus kommen wird. Dass zwei völlig verschiedene Medienhäuser in dieser Form zusammenarbeiten, hat es jedenfalls noch nicht gegeben. Sagen wir jetzt mal. So!

 

Damit wir soweit kommen konnten, war einfach mal durchlüften angesagt. Schließlich sollte das Wahlmobil das sein, was wir jungen Leute uns in naiver Unerfahrenheit eigentlich immer unter Journalismus vorgestellt haben: Raus fahren, Themen vor Ort recherchieren und dabei mit den Menschen sprechen, die es wirklich angeht. Und wo waren wir stattdessen hingekommen? Afghanistan! Steuern! Wirtschaftskrise! Erstwähler! Nichtwähler! Rechtswähler! Rente! Vergangenheit! Zukunft! Und am Ende die ganze Welt! Irgendwie hatten wir unser Ziel aus den Augen verloren: Auf eine lockere, kreative und neue Weise an ein kompliziertes und schwieriges Thema heranzugehen.

 

Es war dann unser Deskchef Manfred Ruch, der uns wieder auf den Boden zurückholte: "Ich will gar nicht jeden Tag was von euch im Blatt haben!" Endlich sagt's mal einer. Nachdem so der Druck von uns genommen war, ging's auf einmal voran. Und mit ein bisschen Hilfe unserer Chefredakteure Christian Lindner und Joachim Türk stand auf einmal auch ein schicker Bulli vor unserer Tür.

 

Stand heute: Es ist noch längst nicht alles druckreif und sendefertig. Hinter den Kulissen arbeiten alle 19 Volos weiter an ihren Themen. Und wenn was fertig wird, lest ihr es hier auf dieser Seite. Aber das Mobil rollt jetzt über die Straßen! Und wenn ein Tag mal nicht so endet, wie er geplant war: Umso besser.

 

 

Wir betreten neue Wege, die wir noch nicht hatten,
Und nehmen euch mit 'n Stück in unserem Windschatten.

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