In drei Schritten zum Kanzlerkandidaten

Moritz Meyer
Moritz Meyer

Schon beim Betreten des Pressebereichs war klar: Das hier ist nicht irgendeine x-beliebige Wahlkampfveranstaltung. Als wir Journalisten bei der Akkreditierung am Eingang aufgefordert wurden, unsere Personalausweise zur Überprüfung durch das BKA abzugeben, wussten wir, dass beim Außenminister und SPD-Kanzlerkandidaten sicherheitstechnisch ein anderer Wind weht, als beim Ortsverein in Münstermaifeld. Keine guten Voraussetzungen also für das Wahlmobil, den Großen Manitu der Sozialdemokraten noch ans Mikrofon zu bekommen. Aber wir wären nicht das Wahlmobil, wenn wir uns von einer paar Kühlschränken mit Sonnenbrille von unserer Mission abhalten lassen würden.

 

1. Versuch: Hinterhalt am Haus des Weins

Wir wussten: Vor dem großen Auftritt würde FWS sich kurz im Restaurant "Haus des Weins", direkt neben der Bühne am Gutenbergplatz frisch machen. Hier abseits der großen Masse hoffen wir, ihn kurz für drei Fragen beiseite nehmen zu können. Um 17.15 Uhr kommt der Außenminister an, begleitet von einer großen Entourage an Beratern, Sprechern, Bodyguards - und Ministerpräsident Kurt Beck. Der grüßt freundlich: "Hallo, was macht das Wahlmobil?" Aber der Ring um Steinmeier ist zu dicht und er zu sehr in Eile. Kein Durchkommen, Plan A ist gescheitert.

 

2. Versuch: Unauffällig unters Volk mischen

Nach dem großen Auftritt folgt natürlich das Bad in der Menge. An einem weißen Plastik-Stehtisch nimmt sich der Kandidat fünf Minuten Zeit für Autogramme und bürgernahen Smalltalk. Die Menschen umlagern ihn, der Wahlmobilreporter mittendrin. Mit dem Mikro in der Hand kämpfe ich mich bis zum Tisch durch, skeptisch beäugt von einem Securityposten, der wohl schon ein Messer oder ähnliches vermutet. Steinmeier ist freundlich, in zwei Sätzen stelle ich ihm das Wahlmobil vor. Wahlmobil-Fan Beck aus dem Hintergrund: "Das ist eine coole Aktion!" OK, der Löwe ist besänftigt, jetzt schnell die Fragen abfeuern. Denkste: Auch die Waffen der freien Presse sind hier nicht gern gesehen. "Kein Interview!", bellt ein Anzugträger von links. "Das Mikro, das Mikro!", schreit er noch hinterher und deutet auf einen Security. Also das geht jetzt aber doch zu weit! Ich umklammere mein Aufnahmegerät. Steinmeier ganz cool: "Gehen Sie mal zur Seite und warten, bis es ruhiger ist." Versuch 2 bringt uns dem Ziel näher.

 

Versuch 3: Im Clinch mit der Security

Kurz gewartet, dann kommt Steinmeier. Sofort umringen ihn wieder die Bodyguards und der Hofstaat. Jetzt gilt's. "Herr Steinmeier, ganz kurz..." Er blickt sich um, wird schon weiter geschoben. Und winkt mich heran. "Na, dann kommen Sie mal." Aber es ist noch nicht geschafft. Die Abwimmler geben nicht auf, ziehen den Ring um FWS enger. Aber jetzt kommt Unterstützung. Heike Raab, Generalsekretärin der SPD in Rheinland-Pfalz, springt mir zur Seite: "Ich schieb' sie einfach mit durch." Der Sicherheitszaun kommt näher, es wird enger, gleich bin ich durch, BAM! Da kommt der Body-Check eines Aufpassers: "Sie nicht!" bellt er. "Doch, der darf!", wirft sich Heike Raab dazwischen. "Wer sagt das?" - "Steinmeier!" - Na, also. Ich bin durch. Und Steinmeier wartet. Noch ein Foto mit den jungen Genossen und dann darf ich vortreten. "Eine Frage!", schärft mir noch ein Pressesprecher ein. Es werden zwei. Geschafft. Der große Manitu hat zu uns gesprochen.

Aber wir sind noch nicht am Ende: Am 15. September kommt SIE nach Koblenz. Wir suchen die ultimative Herausforderung und holen die Kanzlerin ans Wahlmobil! Wetten, dass...?

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Kommentare: 8
  • #1

    katrinsteinert (Dienstag, 08 September 2009 22:32)

    Ja ja, der Moritz. Wie ein Star sieht er aus mit seiner Sonnenbrille. Klar, dass die Raab da schwach wurde. Und? Ja was. Moritz hat's geschafft. Sehr gut! Auch gut: Dass einer vom Team die Kamera draufgehalten hat. Ihr seid supi. Auch der Blog ist gut geschrieben. Roll on!

  • #2

    larswienand (Dienstag, 08 September 2009 22:35)

    Mensch Moritz, jetzt sind die Merkelschen Bodyguards gewarnt. ;-) Las sich sehr unterhaltsam - dafür war seine Antwort dann natürlich Schema F. Aber alleine für die Geschichte der Jagd nach der Antwort hat es sich gelohnt.

  • #3

    m.eschi (Dienstag, 08 September 2009 23:29)

    Sicherlich könnte man der heutigen Wahlmobil-Crew vorwerfen, dass der Wunsch nach einem Steinmeier-O-Ton ein wenig an eine Paparazzi-Jagd erinnerte (Sozilehrer via Twitter. Und sicherlich ist in Mainz das Ziel des Wahlmobils, nämlich nah an den Menschen zu sein, Stimmung einzufangen, etwas in den Hintergrund geraten.

    Dennoch war die 9. Station des Wahlmobils ein großartiger Erfolg - für das Projekt, aber auch für die jungen Journalisten. Denn die haben gezeigt, dass sie sich nicht einfach abwimmeln lassen, sondern dran bleiben und sich durchbeißen.

    Das wurde belohnt: Am Ende hat es dann doch noch mit dem Steinmeier-Interview geklappt. Aber nicht, weil sich der SPD-Kanzlerkandidat gnädig zeigte, sondern weil die RZ-Volontäre mit ihrer Arbeit ernstgenommen werden.

  • #4

    Moritz Meyer (Mittwoch, 09 September 2009 09:11)

    Ich gebe zu, dass ich im letzten Moment doch noch etwas feige geworden bin. Hatte auch noch eine Afghanistan-Frage in petto, aber der Pressesprecher sah fast grimmiger aus, als die Bodyguards. Hatte Angst, dass der mich dann direkt wieder rausschmeißt.

    @Katrin Das mit der Sonnenbrille habe ich selber erst wieder bemerkt, als ich schon draußen war. Komisch, dass man sofort denkt: Mist, die hätte ich abnehmen müssen.

    @Lars Die Antwort war in der Tat 08/15, aber für eine ausschweifende Diskussion über seine tatsächlichen Chancen reichte die Zeit leider nicht.

    @eschi Paparazzi? Muss auch mal sein. Zu viele Journalisten lassen sich ja auch schon beim ersten Telefonat abwimmeln. Aber wie man's macht, es ist verkehrt...

  • #5

    Sozilehrer (Mittwoch, 09 September 2009 15:34)

    Hallo Moritz,
    nach Lesen deines Blogs kann ich verstehen, dass Ihr ein bisschen stolz darauf seid, Steinmeier doch noch sprechen zu können. Die breitschuldrigen Wichtigtuer, die Journalisten von ihrer Arbeit abhalten wollten, waren sicher sehr unangenehm. Und so empfand ich auch die Szene im Video: es war mir echt peinlich, das zu sehen. Aber für einen Journalisten gehört diese Fähigkeit sicher zum Rüstzeug, auch in unangenehmen Situation draufzuhalten und dranzubleiben. Das habt ihr geschafft auch wenn die Ausbeute eher kläglich war, aber was sollte man anderes erwarten von einem gewieften Politiker.
    Das nächste Mal könntet ihr diese Kaltschnäuzigkeit ja in Fragen ummünzen.
    Noch zur Brille: Ich finde es witzig, dass es Dir gar nicht aufgefallen ist, aber vieleicht haben die Personennschützer deshalb so abweisend reagiert ;-)

  • #6

    Sozilehrer (Mittwoch, 09 September 2009 15:42)

    Bäh, ich hab einen Tippfehler drin (wie peinlich!) und kann leider nicht verbessern. Bin von Twitter anderes gewöhnt. Wer ihn findet kann ihn....;-)

  • #7

    Nannuk (Mittwoch, 09 September 2009 19:31)

    Echt KLASSE, diese fast Live-Reportage von der Politfront. Das ist ja harte Arbeit und schön, wenn man gutwillige Helfer wie Frau Raab hat. Ehrlich gesagt, hätte das ein ausgefuxter Presseprofi nicht viel besser machen können. Gratulation an das ganze Wahlmobil-Team um Moritz Meyer.

  • #8

    Moritz Meyer (Mittwoch, 09 September 2009 19:48)

    Das ist mir jetzt aber schon ein bisschen peinlich. Es gibt natürlich nicht das Wahlmobilteam um Moritz Meyer. Es gibt das Wahlmobil, von dem ich dankenswerter Weise ein Teil bin. Die tollen Videos hat Marco aufgenommen, das Mikro hat mir Norbert noch schnell zugesteckt, und so weiter.
    @Sozilehrer: Das erste Mal, dass ich mitkriege, dass ich fremdschämen auslöse. Auch eine interessante Erfahrung.