Station 27: Der lange Weg zur Wahl

EIn Mann aus dem Iran und seine Wahl-Geschichte

Mehdi Jafari-Gorzini. Foto: Markus Gerhold
Mehdi Jafari-Gorzini. Foto: Markus Gerhold

Von Angela Kauer

 

Mehdi Jafari-Gorzini ist kein Freund von Langsamkeit. Schnellen Schrittes kommt er in das Café in Mainz, das wir als Treffpunkt vereinbart haben. Schnell bestellt er einen Kaffee. Und ebenso schnell beginnt er, seine Geschichte zu erzählen. Es ist die Geschichte eines Mannes, der in Mainz seine zweite und zugleich seine politische Heimat gefunden hat - und der trotzdem sehr lange darauf warten musste, auch in Deutschland die Politik per Wahl mitgestalten zu können.

 

Geboren wird Mehdi Jafari-Gorzini in einem kleinen Ort im Nordiran. Er wächst an der Grenze zu Turkmenistan auf. Als er den Iran vor 30 Jahren verlässt, tobt dort eine Revolution. Sie ist weniger blutig als die Französische und für viele Iraner mit großen Hoffnungen verknüpft. Hoffnung auf Demokratie. Hoffnung auf freie Wahlen. Doch es kommt anders: Über den großen Aufbruch eines ganzen Volkes legt sich der übermächtige Schatten Ayatollah Khomeinis. Er setzt sein Staatskonzept der „Herrschaft des Obersten Rechtsgelehrten" gegen die Befürworter einer westlichen Demokratie durch, installiert ein Regime, dass nicht weniger brachial durchgreift, als zuvor das des Schahs.

Jafari-Gorzini flüchtete damals vor dieser islamischen Republik. Und vielleicht ist Wählen für den vierfachen Vater deshalb mehr als eine Pflicht. „Wahlrecht ist ein Menschenrecht", sagt der Mann, der heute im rheinland-pfälzischen Sozialministerium arbeitet. Viele Europäer, findet er, unterschätzten, was das Wählen bedeute: mitbestimmen zu können.

 

Bis er das durfte, musste er einen langen Weg zurücklegen: 1979 kommt Jafari-Gorzini eigentlich zum Studieren nach Mainz - und bleibt. Er heiratet in erster Ehe eine Deutsche, bekommt mit ihr zwei Töchter, später mit seiner zweiten Frau zwei Söhne. Doch nicht nur privat findet er Anschluss. Die Geschichte seiner Integration ist auch die seiner politischen Sozialisation: An der Uni kommt er zunächst mit einer marxistischen iranischen Hochschulgruppe in Kontakt. Später tritt er den Grünen bei und wird schließlich deren Landesvorstandssprecher. Der erste, ohne deutschen Pass. Auch der erste, der selbst nicht wählen darf und der nicht als Kandidat aufgestellt werden kann. Die Grünen stellen deshalb sogar eine kleine Anfrage im Bundestag.

 

Doch die Mühlen der Bürokratie mahlen langsam - ein bisschen zu langsam für Jafari-Gorzini. Die deutsche Staatsbürgerschaft erhält er erst 1997, 17 Jahre, nachdem er mit dem Flieger in Frankfurt gelandet ist. Seine politische Karriere bei den Grünen ist da schon vorbei. Trotzdem sagt er heute: „Ich bin damals endlich an meinem Ziel angekommen." Dem Ziel, mit seiner Stimme wirklich etwas bewegen zu können. Die Bundestagswahl 1998 ist die erste, bei der er sein Kreuzchen machen darf. Seitdem hat er bei keiner Wahl gefehlt. Und das wird auch am Sonntag so sein.