Station 15: Arbeitslosigkeit: Das Wahlmobil-Team spürt Sorgen und Nöten der Menschen in Pirmasens nach

Das Wahlmobil vor der Agentur für Arbeit in Pirmasens. Foto: Katharina Dielenhein
Das Wahlmobil vor der Agentur für Arbeit in Pirmasens. Foto: Katharina Dielenhein

Arbeitsagentur rät zu Eigeninitiative und Weiterbildung

Wahlmobil besucht die Stadt mit der landesweit höchsten Arbeitslosenquote - Politische Versprechen kommen nicht an

Aus dem Wahlmobil berichten Denise Bergfeld und Michael Bongard

 

Vier Millionen neue Arbeitsplätze hat Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier (SPD) in seinem Deutschlandplan versprochen. Das klingt zu schön, um wahr zu sein. In Pirmasens, der Stadt mit der höchsten Arbeitslosenquote in Rheinland-Pfalz, glauben viele Menschen nicht mehr an Wahlversprechen. "Deutschland ist ein Schiff, das langsam untergeht", sagt Patrick Hientzsch. Der 29-Jährige sucht seit einem Jahr einen Job in Pirmasens. Zur Bundestagswahl will er nicht gehen, denn Politikern glaubt er schon lange nicht mehr.

 

Armin Schätter hält Steinmeier für glaubwürdig. Der Leiter der Pirmasenser Arbeitsagentur ist trotz Krise optimistisch. "Die Branchen, die Steinmeier aufgezeigt hat, sind Wachstumsbranchen. Ob es nun vier Millionen Arbeitsplätze werden, wird man sehen. Wenn es nur die Hälfte wird, wäre es schon ein Erfolg für den Arbeitsmarkt."

Bei den Menschen, die in der Arbeitsagentur ein- und ausgehen, spürt man vor allem Resignation. Denn das einstige Zentrum der Schuhindustrie führt heute eine traurige Statistik an. Die Arbeitslosenquote in Pirmasens beträgt 15,6 Prozent (Stand August 2009). Zum Vergleich: Der Landesdurchschnitt lag im August bei 6,2 Prozent, bundesweit betrug die Arbeitslosenquote im August 8,3 Prozent.

 

Patrick Hientzsch sucht Arbeit. Der Pirmasenser ist mit der Politik und den Leistungen der Arbeitsagentur nicht zufrieden. "Wenn man sich nicht selbst um alles kümmert, tut sich auch nichts", sagt der 29-Jährige. Vor einer Woche hatte er ein Gespräch in der Agentur, der nächste Termin ist erst für Dezember anberaumt. "Ich habe noch kein einziges Angebot von der Agentur bekommen." Nächste Woche hat der gelernte Speditionskaufmann ein Vorstellungsgespräch, den Kontakt zur Firma hat er selbst hergestellt. Von der Politik wünscht er sich vor allem mehr Glaubwürdigkeit.

 

Zu viel Bürokratie, zu wenig Kundennähe. Diese Vorwürfe kontert Agenturchef Schätter: "Wir bemühen uns, kundenfreundlich zu sein - im Rahmen der Gesetze. Die Bürokratie ist uns vorgegeben, weil wir die Gesetze zu administrieren haben."

 

In der Landeshauptstadt Mainz ist die Lage auf den ersten Blick deutlich besser. Die Arbeitslosenquote betrug im August 6,0 Prozent. Jürgen Schwab arbeitet als Aushilfe bei der Arbeitsagentur: "Die Krise ist bei den Arbeitslosen schon in den Köpfen drin", sagt der 49-Jährige.

 

Doch den Kopf in den Sand zu stecken, ist die schlechteste Methode, um auf dem Arbeitsmarkt zu bestehen. Der Pirmasenser Agenturchef rät Arbeitssuchenden, schnell den Kontakt zu den Arbeitsvermittlern zu suchen, aber auch selbst durch Initiativbewerbungen aktiv zu werden. Weiterbildungen machen den Arbeitnehmer interessanter. Auch die Mobilität ist wichtig. "Die Zeiten, dass man den Arbeitsplatz vor der Haustür hat, sind vorbei", sagt Schätter. Nicht nur in Pirmasens. 

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Wahlmobilist Norbert Martens im Gespräch mit dem Leiter der Arbeitsagentur Pirmasens

"Das Volk befragen"

Jörg Mäser (48) fordert mehr Mitbestimmung für die Bürger

Foto: Katharina Dielenhein
Foto: Katharina Dielenhein

Von Denise Bergfeld

 

Sein niedrigster Stundenlohn lag bei 3,50 Euro. Als Küchenhilfe und bei Umzugsunternehmen hat Jörg Mäser schon gejobbt. Und wieder droht ihm die Arbeitslosigkeit. Doch mittlerweile beunruhigt ihn das kaum noch. "Ich kenne das Spielchen", sagt er. Es ist ein ständiges Wechselspiel: Jobben, nach Arbeit suchen, jobben, wieder nach Arbeit suchen.

 

Dabei hat der 48-jährige Pirmasenser eigentlich ganz gute Voraussetzungen, um sich auf dem Arbeitsmarkt zu behaupten. Er hat einen Job gelernt, bei dem die Berufsaussichten immer noch als gut bewertet werden. Mäser ist Physiotherapeut. Der Job macht ihm Spaß. Er bringt nur nicht genug Geld zum Leben ein, wie er sagt.

 

In der Vergangenheit hat der Pirmasenser versucht, sich als Selbstständiger mit einer Praxis zu etablieren. Doch unterm Strich blieben ihm am Ende nur 70 Euro Gewinn im Monat übrig - nach allen Abzügen. "Dafür brauche ich nicht zu arbeiten", sagt er.

 

Mäsers Standpunkt: Arbeit muss sich wieder lohnen. Ein Mindestlohn ist dafür seiner Meinung nach unverzichtbar. Doch an die Politik glaubt er schon lange nicht mehr. "Die versprechen alle das Blaue vom Himmel und keiner hält sich später daran", sagt er resignierend und zuckt mit den Schultern. Er fordert dafür mehr Mitbestimmung vom Volk und will lieber öfter selbst gefragt werden - per Volksentscheid.

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"Mehr Ausbildungsplätze"

Alexander Iwich (18) jobbt für fünf Euro die Stunde und hofft auf einen Ausbildungsplatz

Foto: Katharina Dielenhein
Foto: Katharina Dielenhein

Von Denise Bergfeld

 

Manchmal fällt es Alexander Iwich schwer, sich zur Arbeitsagentur zu begeben. "Es ist einfach lästig, aber der Service ist schon okay", sagt der 18-Jährige. Er bekommt regelmäßig Jobangebote nach Hause geschickt. Und bewirbt sich.

 

Denn der junge Pirmasenser sucht händeringend einen Ausbildungsplatz. Am liebsten als Kfz-Mechatroniker. Doch seine Chancen stehen nicht gut, wie er selbst sagt. "Ich habe nur einen Hauptschulabschluss und die nehmen meist nur junge Leute mit Fachabitur." Iwich ist noch jung, aber er schaut schon voller Sorge nach vorne: "Der Blick in die Zukunft macht mir Angst, ich will nicht von Firma zu Firma geschickt werden."

 

Irgendwann einmal ankommen. Eine Ausbildung, später vielleicht eine Festanstellung und Familie. Dafür würde der junge Pirmasenser auch seine Heimat verlassen. "Weggehen würde ich sofort, wenn ich hier keine Arbeit mehr finde", sagt er. Obwohl er eigentlich in seiner Heimat glücklich ist. "Ich habe hier meinen Freundeskreis und der ist mir wichtig", sagt der 18-Jährige.

 

Er wünscht sich von der Politik vor allem, dass mehr Ausbildungsplätze für junge Menschen geschaffen werden. Bis er selbst eine Ausbildungsstelle findet, will er weiter als Aushilfe jobben. Derzeit arbeitet er auf 400-Euro-Basis als Verpacker in einem Münzhandel. Für einen Stundenlohn von fünf Euro.

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"Bessere Zukunft für Kinder und Jugendliche"

Eva Strunz (46) ärgert sich über bürokratische Hürden bei der Arbeitsagentur

Foto: Katharina Dielenhein
Foto: Katharina Dielenhein

Von Denise Bergfeld

 

Eigentlich wollte Eva Strunz nur für ihren Sohn einen Termin ausmachen. Denn er kann sich nicht selbst in den Bus setzen und zur Arbeitsagentur fahren. "Die Grippeviren haben ihn erwischt", sagt die 46-Jährige und ärgert sich. Denn ihr Sohn liegt mit Fieber im Bett, und sie habe vorhin in der Arbeitsagentur nur zur Antwort bekommen "Er ist volljährig und muss selbst vorbeikommen."

 

Datenschutz hin oder her. Die Pirmasenserin hat dafür kein Verständnis. "Mein Sohn hat mich darum gebeten, sonst wäre ich mit Sicherheit nicht vorbeigekommen", sagt die gelernte Erzieherin. Der 20-Jährige sucht, wie viele andere in seinem Alter, in Pirmasens eine Ausbildungsstelle. Am liebsten als Bürokaufmann.

 

Dafür ist er auch bereit, seine Abende zusätzlich mit Lernen zu verbringen: Vormittags jobbt er auf 400-Euro-Basis, abends holt er seinen Realschulabschluss nach, um bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu bekommen. Sozialhilfe hat er abgelehnt. "Das will er nicht", sagt seine Mutter. Aber ganz ohne Unterstützung kommt er nicht aus. Denn er hat bereits eine eigene Wohnung und muss sich seinen Lebensunterhalt selbst verdienen.

 

Gerade für die Jugend, die nach Meinung der Erzieherin nur schwer zu bewegen ist, wäre es gut, wenn die bürokratischen Hürden nicht so groß wären. Lösungen hat Strunz auch schon parat: Termine bei der zuständigen Agentur für Arbeit könnte man zum Beispiel telefonisch ausmachen und bestätigen. Von der Politik wünscht sie sich eine bessere Zukunft für Kinder und Jugendliche im Land.

 

Mit einem Blatt Papier in der Hand geht sie nun nach Hause. Den Antrag muss ihr Sohn ausfüllen und persönlich abgeben. Erst dann bekommt er den Termin zur Beratung.

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"Mehr Arbeitsplätze"

Christopher Kempf (24) sucht seit einem Jahr einen Arbeitsplatz

Foto: Katharina Dielenhein
Foto: Katharina Dielenhein

Von Denise Bergfeld

 

Ein Leben ohne Job prägt. Das sitzt, das zehrt an einem, da will man raus. Wieder in Lohn und Brot stehen. Wieder eine Aufgabe haben, Bestätigung und Herausforderung. So auch Christopher Kempf. Der 24-Jährige ist seit einem Jahr arbeitslos. "Ich mache alles, was nur annähernd mit handwerklicher Arbeit zu tun hat", sagt der Pirmasenser.

 

Eine Ausbildung hat er schon absolviert, wurde aber nicht übernommen. Es folgte eine Anstellung als Schreiner. Doch der Firma ging es nicht gut. Die Aufträge brachen weg und somit auch Kempfs Stelle. Die Arbeitsagentur riet ihm zu einer zweiten Ausbildung, nachdem monatelang kein Job für den Pirmasenser in Sicht war.

 

Für Kempf keine Lösung: "Ich habe doch schon eine Ausbildung gemacht. Wieso nun noch eine zweite anfangen?", fragt er. "Das bringt mich doch auch nicht weiter." Von der Agentur für Arbeit erhofft er sich mehr Unterstützung. "Wenn's hochkommt, haben die mir drei Stellenangebote in dem einen Jahr zugeschickt", sagt er. Das ist viel zu wenig, wenn man händeringend nach einer Arbeit sucht, so wie Christopher Kempf.

 

Doch der junge Pirmasenser will seine Situation nicht einfach hinnehmen. Weil kein Chef ihn einstellen will, wird er jetzt sein eigener. Mit einer Firma, die Autos säubert. An Elan und Ideen mangelt es dem jungen Pirmasenser nicht. Er ist auf dem Weg in die Selbstständigkeit. Ein erstes Gespräch über seine Pläne hat der mit der Arbeitsagentur schon geführt. Und wirkt zufrieden. Von der Politik wünscht er sich trotzdem nur eines: mehr Arbeitsplätze.

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"Mehr Glaubwürdigkeit"

Patrick Hientzsch (29) hat das Vertrauen in die Politik verloren

Foto: Katharina Dielenhein
Foto: Katharina Dielenhein

Von Denise Bergfeld

 

Arbeitssuchend. Das klingt immerhin noch besser als arbeitslos. Patrick Hientzsch hat sich bei der Agentur für Arbeit ab Oktober als arbeitssuchend gemeldet. Unruhig macht ihn das trotzdem. Denn dem gelernten Speditionskaufmann wurde gekündigt. Weil die Firma, in der er angestellt war, schlecht gewirtschaftet hat, wie er sagt.

 

In der kommenden Woche hat Patrick Hientzsch bereits ein Vorstellungsgespräch. Geholfen hat ihm dabei nach eigener Aussage aber nicht die Agentur für Arbeit. Den Kontakt hat der Pirmasenser selbst hergestellt: "Wenn man sich nicht kümmert, dann passiert eh nichts." Vor einer Woche hatte er einen Termin in der Agentur, den nächsten nun erst wieder im Dezember. Stellenangebote habe er noch kein einziges zugeschickt bekommen.

 

"Die Politik soll den Arbeitsagenturen endlich mal die Möglichkeit geben, den Arbeitssuchenden besser helfen zu können", sagt er. Momentan würden die Kosten doch nur klein gehalten. Von Politikern wünscht er sich mehr Glaubwürdigkeit. Versprechungen, die eingehalten werden.

 

Doch er glaubt nicht mehr daran, dass etwas ändert. Auch die Bundestagswahl interessiert ihn nicht. Der Pirmasenser will nicht hingehen. Zu groß ist in seinen Augen die Frustration: "Deutschland ist ein Schiff, das so langsam untergeht", sagt er und zuckt resignierend mit den Schultern.

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Frust und Unlust

Hier bloggt Katharina Dielenhein

Katharina Dielenhein
Katharina Dielenhein

Neue Woche, neue Crew. Schon am ersten Tag, an dem wir im Wahlmobil sitzen, treiben wir es zu neuen Höchstleistungen. Einen regelrechten Marathon hat unser Auto heute bereits hinter sich gebracht: 203 km Hinweg, 203 km Rückweg. Bis heute der längste Weg, den der Opel in seiner Zeit als Wahlmobil zu fahren hatte. Unser Ziel? Die Agentur für Arbeit in Pirmasens. Unser Wunsch? Mit Menschen sprechen, die die Arbeitsagentur besuchen oder besucht haben und ihre Wünsche an die Politik erfahren. [mehr]