Station 22: Wahlmobil trifft die Milchbauern

Die Crew zieht ihre Gummistiefel an und fährt raus aufs Land

Das Wahlmobil auf Du und Du mit der Milchkuh.
Das Wahlmobil auf Du und Du mit der Milchkuh.

Der Tag eines Milchbauern beginnt um 5 Uhr morgens. Aufstehen, Kühe melken, füttern und misten. 12 bis 14 Stunden umfasst ihr Arbeitstag, ihr Lohn definiert sich über den Milchpreis. Der liegt momentan bei 20 bis 27 Cent pro Liter. Das lässt die Milchbauern um ihre Existenz bangen. Mit massiven Protesten versuchen sie, auf sich und ihre Lage aufmerksam zu machen. Das Wahlmobil-Team macht sich auf den Weg aufs Land, um einen Arbeitstag eines Milchbauern zu begleiten und zu erfahren, wie die Bauern im Land über die aktuelle Politik denken und was sie fordern.

Wenn Milchwirtschaft zum Existenzkampf wird

Foto: Katharina Dielenhein
Foto: Katharina Dielenhein

Von Kirsten Fitzke

 

Leise rauscht die Eltz während langsam die Sonne über der hügeligen Landschaft der Eifel aufgeht. Die Idylle scheint perfekt. Doch wer in der Morgendämmerung nicht vor dem Schürenhof der Familie Ludwig in Monreal verweilt, sondern die Tür zum Kuhstalls öffnet, der erkennt es auf den ersten Blick: Das Leben der Milchbauern hat mit Idylle nichts zu tun.


Die Bewirtschaftung des Hofs mit 70 Milchkühen ist harte Arbeit, die angesichts sinkender Milchpreise kaum bis überhaupt nicht mehr entlohnt wird. Familie Ludwig bewirtschaftet den Hof mit Leidenschaft - trotzdem zweifelt der 50-jährige Manfred Ludwig immer öfter daran, ob die Arbeit auf dem Feld und im Stall überhaupt noch lohnt. Derzeit gibt ihm die Molkerei nur 24 Cent für einen Liter Milch - manchen Kollegen noch weniger. Die Herstellungskosten liegen jedoch bereits bei 29 bis 30 Cent. Mit jedem Liter Milch, den er verkauft, macht er folglich ein Minus - und in dieser Rechnung sind die Gehälter für die Familienmitglieder noch nicht einmal berücksichtigt.


„Ende dieses Jahres wird für viele Bauern Schluss sein. Dann gibt es für sie keine Kredite mehr", sagt Landwirt Ludwig. Er weiß von vielen Kollegen, die seit Monaten rote Zahlen schreiben und immer noch darauf hoffen, dass die Banken mitspielen bis der Milchpreis wieder steigt. Manfred Ludwig, seine Frau Ursula und der 23-jährige Sohn Stephan, der den Betrieb weiter führen will, können die derzeitige Situation auch nicht dadurch ausgleichen, dass sie einen Hofladen betreiben und mehrmals die Woche Märkte in Koblenz, Mayen und Kaisersesch beschicken. Neue Investitionen sind gänzlich unmöglich geworden. 1995 hat die Familie zuletzt viel Geld in die Hand genommen. Für 450 000 Mark wurde damals der Stall vergrößert und von 30 auf 70 Milchkühe aufgestockt. Als vor zwei Jahren die Milchpreise auf einem hohen Niveau waren, sollte der Hof erneut ausgebaut werden. Denn ein weiterer Stallausbau und ein Melkrobotter würden die Arbeit auf dem Hof erleichtern. Doch dann fielen die Milchpreise und die Pläne der Familie verschwanden in der Schublade.


So steht Ursula Ludwig weiterhin jeden Tag um kurz nach fünf im Stall und melkt die 70 Kühe in einem so genannten Dreier-Auto-Tandem-Melkstand. Dieser bietet links und rechts Platz für jeweils drei Tiere, die von allein ihren Weg vom Stall in die Melkboxen und zurück finden. In einer Vertiefung steht die Bäuerin und schließt mit routinierten Handgriffen die Melkmaschine an. Etwa 30 Liter Milch sind die Ausbeute pro Tier am Tag. Bei 70 Kühen macht das 2100 Liter täglich, für die Familie Ludwig von der Molkerei 504 Euro bekommt. Die Herstellungskosten belaufen sich täglich auf 630 Euro. Ein rechnerisches Minus von 126 Euro für einen Arbeitstag, der erst endet, wenn es dunkel wird. „Jeder Unternehmer würde jetzt die Produktion stoppen. In der Landwirtschaft geht das aber nicht", sagt Ludwig.
Eigentlich sind die Menschen auf dem Viergenerationenhof mit ihrer Arbeit zufrieden. „Wir sehen immer wieder den Kreislauf des Lebens, sind bei der Geburt eines Kälbchens dabei, ziehen es groß, und dann kalbt es selbst wieder", sagt Manfred Ludwig. Doch die Rahmenbedingungen für seine Arbeit müssen sich ändern, fordert der Landwirt.


In den nächsten ein bis zwei Jahren müsse deutlich unterhalb der Milchquote produziert werden - in der gesamten EU. „Die restliche Milch müssen wir in die Gülle kippen", ist der Landwirt überzeugt. Ludwig meint, dass Discounter Lebensmittel nicht mehr im Angebot als Lockmittel für ihre Reklame verwenden sollten: „Milch und andere Lebensmittel dürfen nicht unter ihren Produktionskosten verkauft werden. Derzeit bleibt der Familie nur die Hoffnung: „Es gab immer schlechte Zeiten, aber immer ist es auch wieder besser geworden."

Schwarze Zukunft für die weiße Tradition

Hier bloggt Jan Lindner

Jan Lindner
Jan Lindner

Manfred Ludwig ist nachdenklich geworden: Ist es überhaupt richtig, dass sein 23-jähriger Sohn Stephan den Bauernhof eines Tages einmal übernehmen soll? In diesen Zeiten, in denen der Milchpreis derart im Keller dümpelt, dass Ende des Jahres viele seiner Kollegen keine Kredite mehr bekommen werden.

 

Manfred Ludwig, Bauer aus Monreal, ist sich da nicht mehr so sicher. Es ist so, als ob er diese Frage nicht nur an sich richtet, sondern auch an uns Wahlmobilisten, die wir nur einige Jahre älter sind als Stephan. Immerhin führt Manfred Ludwig den Schnürenhof mit rund 70 Milchkühen zusammen mit seiner Frau Ursula, seinem Sohn und einem Gehilfen schon als sechster in der Erbfolge. Den Familienbetrieb soll es auch in der Zukunft geben. Irgendwie... [mehr]