Station 17: Praxissterben auf dem Land
Nachwuchs zieht Großstädte vor – Gemeinden doktern an Notlösung
Von Sine Weisenberger
Nicht eine Bewerbung hat Dr. Georg Haas in seinem Briefkasten gefunden. Dabei sucht der Hausarzt aus Wahlrod (Westerwaldkreis) schon seit Monaten dringend einen Nachfolger. Ende des Jahres will der 63-Jährige in Ruhestand gehen. Sein Problem: Wahlrod ist nicht Mainz. Also bleibt sein Briefkasten leer. Das geht Kollegen in der Eifel oder in der südlichen Pfalz nicht anders. Denn das Inte-resse junger Mediziner, aufs Land zu ziehen - ohne ansprechende Infrastruktur und mit finanziellen Risiken - tendiert mittlerweile gegen Null. Fatal: Von den 3080 niedergelassenen Allgemeinärzten in Rheinland-Pfalz werden sich 20 Prozent in den nächsten fünf Jahren zur Ruhe setzen.
Pilotprojekte wie die Verbundweiterbildung sollen das auffangen. Dabei erhalten die Nachwuchsärzte eine Kombi-Weiterbildung zum Fach- und Hausarzt. Seit gut einem Jahr besteht das Angebot im
Westerwald. Erfolglos. „Wir haben bisher keine einzige Bewerbung erhalten", bilanziert Dr. Olaf Döscher, Allgemeinmediziner in Bad Salzig und Vorsitzender der Vertreterversammlung der
Kassenärztlichen Vereinigung. Auch einmalige Geldprämien locken den Nachwuchs nicht. Dabei wäre die Lösung laut Döscher so einfach: „Wir brauchen ein gerechtes Honorarsystem. Wer Ärzte aufs Land
holen will, muss ihnen langfristig wirtschaftliche Sicherheit bieten."
Die Bewohner des Örtchens Winden (Rhein-Lahn-Kreis) haben sich hingegen mit dem Mangel an ärztlicher Versorgung arrangiert. Der nächste Hausarzt sitzt im sechs Kilometer entfernten Nassau, der
Krankenwagen braucht eine halbe Stunde. Also hilft sich der Ort selbst: mit drei Heilpraktikern. Einer hat sogar eine Rettungsassistentenausbildung . Zudem bemüht sich Ortsbürgermeister Gebhard
Linscheid um einen Defibrillator im Dorfladen. Linscheid: „Darauf zu warten, dass sich die große Politik darum kümmert - geschenkt. Da hilft nur, selbst Ideen zu entwickeln."
Dr. Olaf Döscher über den Ärztemangel
Das sagt der Bürgermeister von Winden dazu
Hier bloggt Norbert Martens
Landarzt bald nur noch im TV?
Stellen Sie sich vor, Ihr liebster Mensch erleidet einen schweren Herzinfarkt oder Schlaganfall, und kein Arzt ist in der Nähe. In einigen ländlichen Regionen von Rheinland-Pfalz ist dies schon bittere Realität, weil Hausärzte keine Nachfolger für ihre Praxen finden. Gerade ältere und wenig mobile Menschen müssen deshalb häufig einen langen und mühseligen Weg zum Arzt in Kauf nehmen. [mehr]