Station 21: Ein Glaskasten in Koblenz

Ein Besuch am gläsernen Mobil der Piratenpartei

Die Piraten und der gläserne Kasten.
Die Piraten und der gläserne Kasten.

Ein gläsernes Wohnzimmer, direkt vor dem Koblenzer Hauptbahnhof. Wer möchte, kann dort für ein paar Minuten Platz nehmen und eine kleine Pause einlegen. In einem Raum mit Null Privatsphäre. Hinter der Aktion steckt die Piratenpartei. Eine der kleineren Parteien, die zur Bundestagswahl antreten und eine Woche vor der Wahl kräftig um Stimmen werben. Die Piratenpartei kämpft für Informationsfreiheit und gegen Vorratsdatenspeicherung und Internetsperren. Das Wahlmobil hat den ungewöhnlichen Wahlstand der Piraten besucht.

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Ändern statt entern: Die Piraten in Koblenz

Die Piratenpartei in Koblenz
Die Piratenpartei in Koblenz

Von Kirsten Fitzke

 

In dem kleinen Wohnzimmer ist es eng. Und es ist heiß. Denn die Herbstsonne zeigt in dem gläsernen Anhänger seine Wirkung, in dem ein Teppichboden liegt und ein Sofa steht. Die Piratenpartei hat mit dem „Gläsernen Mobil" vor dem Koblenzer Hauptbahnhof Halt gemacht. „Wir wollen zeigen, wie es ist, wenn ein Bewohner in seinen eigenen vier Wänden nichts mehr verbergen kann", sagt Angelo Veltens, Landesvorsitzender der Piratenpartei in Rheinland-Pfalz. Denn genau hier setzt das Wahlprogramm der noch jungen Partei an. Sie ist gegen Datenspeicherung und Videoüberwachung und fordert vom Staat eben diese Durchsichtigkeit, vor der sie die Bürger schützen will: „Nicht der Bürger muss gläsern sein, sondern der Staat."

 

Veltens glaubt, dass die Menschheit vor einer historischen Wende steht - dem Beginn des Informations- und Kommunikationszeitalters -, die vergleichbar sei mit der Industriellen Revolution. Der aus Neuhäusel (Verbandsgemeinde Montabaur) stammende 23-Jährige studiert in Karlsruhe Informatik und ist überzeugt, dass die Probleme in der Gesundheits- und Bildungspolitik lediglich Symptome der fehlenden Transparenz im deutschen Staatswesen seien. Der Landesvorsitzende der Piraten glaubt, mit einem gläsernen Staat Probleme - beispielsweise die Arbeitslosigkeit oder die Wirtschaftskrise - bekämpfen zu können.

 

Ein weiterer zentraler Punkt im Wahlprogramm der Piraten: eine Lockerung des Urheberrechtes. Privat- und Schwarzkopien von Musik - sogenannte Raubkopien - sollten legal sein. Veltens meint, dass auf diesem Wege verbreitete Songs schnell populär würden und damit letztlich auch häufiger über die Ladentheke gehen.

 

Nach eigenen Angaben bekommt der Landesvorsitzende von Tag zu Tag mehr Unterstützung. Sein Landesverband habe im Frühjahr lediglich 40 Mitglieder gehabt, jetzt seien es 380. „Wir sind für alle offen, wir nehmen jeden auf", sagt Veltens. Das bekannteste Neumitglied der Piratenpartei sitzt bereits im Deutschen Bundestag: Jörg Tauss. Der ehemalige SPD-Abgeordnete hatte sich vor allem mit der Mediengesetzgebung beschäftigt, bis im März seine Immunität aufgehoben wurde. Die Staatsanwaltschaft hatte Kinderpornos bei ihm sichergestellt. Tauss behauptet, er habe die Bilder erworben, um zu zeigen, dass Familienministerin Ursula von der Leyen mit ihrer Internetsperre nichts gegen Kinderpornografie im Netz ausrichten werde.

 

Auf die Frage, wie Jürgen Tauss in das Profil der Piratenpartei passe, antwortet Veltens: „Wir vorverurteilen niemanden, den Fall muss ein Richter entscheiden." Schnell wechselt der rheinland-pfälzische Landesvorsitzende das Thema und schwärmt von den Ideen seiner Partei. „Wenn wir im Bundestag sitzen, geht es erst richtig los", meint Veltens.

 

Vor dem Einzug der Piraten steht am Wahlsonntag aber die Fünf-Prozent-Hürde, die für viele kleinere Parteien kaum erreichbar scheint.

 

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Weitere kleine Parteien und ihre Programme

Von Katharina Dielenhein, Kirsten Fitzke und Denise Bergfeld

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Die Ökologisch-Demokratischen Partei (ödp) wurde 1982 gegründet und versteht sich selbst als Partei der Mitte. Die Öko-Demokraten lehnen nach eigenen Angaben rechten wie linken politischen Extremismus ab. Die Partei will sich den Herausforderungen der globalen Krise mit ihren ökologischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und ethischen Aspekten stellen. Mit ganzheitlichem Denken sollen Ideen für eine langfristig lebenswerte Welt entwickelt werden. Dabei gehört zu dem Welt- und Menschenbild der ödp die Erkenntnis, dass der Mensch in die Gesamtzusammenhänge des Lebens auf der Erde eingebunden ist. „Nur wer die Fähigkeit des Menschen zu Individualismus und zur Gemeinschaftsfähigkeit anerkennt, wird seinem Wesen gerecht und kann alle positiven Möglichkeiten nutzen", heißt es im Programm der Ödp.

 

Die Partei hat nach eigenen Angaben bundesweit 6500 Mitglieder, 40 Prozent von ihnen sind Frauen. Ihr Mitglieder- und Aktivitätsschwerpunkt liegt derzeit in Süddeutschland. In Rheinland-Pfalz hat die Partei 305 Mitglieder und acht Kreisverbände.

Die Familien-Partei Deutschlands hofft bei der Bundestagswahl 2009 neben Rheinland-Pfalz noch in drei weiteren Bundesländern auf Zweitstimmen. In fünf Bundesländern schickt sie Direktkandidaten ins Rennen. Im Vordergrund ihres Parteiprogramms stehen soziale Gesichtspunkte wie eine bessere Vereinbarkeit von Kindern und Beruf. Die Familien-Partei ist eine freiheitlich-demokratische Partei der politischen Mitte und möchte durch ihren Einfluss in der Politik Männern und Frauen die Möglichkeit geben, sich für Kinder zu entscheiden, ohne dass daraus politische und wirtschaftliche Nachteile entstehen.

 

Maßnahmen, um das zu gewährleisten, sieht die Partei unter anderem in nach Anzahl und Alter der Kinder gestaffeltem Erziehungsgehalt, einkommensunabhängigem Kinderkostengeld, verlässlichen Ganztagsschulen und Anrechnung der vollen Erziehungszeiten bei der Rentenberechnung. Außerdem plädiert die Familien-Partei dafür, die Adoptionsmöglichkeiten zu erleichtern und materielle und institutionelle Hilfe bei Schwangerschaftskonflikten zu bieten.

 

Auch die Partei Bibeltreuer Christen (PBC) ist auf den Stimmzetteln in Rheinland-Pfalz zu finden. Die Mitglieder bekennen sich ganz klar zur Bibel, führen sie an als Grundlage für ihre politische Arbeit. Die Partei will unter anderem verpflichtende Bibelstunden an Schulen einführen und Scheidungen erschweren. „Der zunehmend hohen Scheidungsrate in unserem Volk mit den vielen psychisch kranken Scheidungsopfern und scheidungsgeschädigten Kindern muss mit allen Mitteln entgegengewirkt werden", heißt es in ihrem Parteiprogramm.

 

Familie steht für die PBC über allem. Homosexualität und gleichgeschlechtliche Ehen sowie Abtreibungen lehnen die Bibeltreuen Christen vehement ab. Sie fordern ein „Erziehungsgehalt" für Mütter, das bis zum 16. Lebensjahr ihres Kindes gezahlt wird, ein Verbot von Astrologie, Wahrsagerei und Horoskopen und eine „gezielte, gründliche und praktische Aufklärung über die grausamen Spätfolgen solcher antigöttlichen Praktiken." Weitere Ziele sind Höchststrafen für Rauschgifthandel und das Verbot pornografischer und gewaltverherrlichender Filme, Videos, Computerspiele und jeglicher pornographischer Darstellung in Presse, Rundfunk, Fernsehen und Literatur. Apropos Rundfunk. Neben den „Großkirchen" sollen nach dem Willen der PBC künftig auch die Freikirchen im Kontrollgremium der öffentlich-rechtlichen Rundfunksender sitzen.

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