Im Park der vielen Geräusche

Von Markus Gerhold

Und plötzlich ist es, als ob der Güterzug direkt durch meinen Kopf fahren würde. Ins rechte Ohr rein, zum linken wieder raus. Alle paar Minuten geht das so. Die vorbeifahrenden Autos kann ich vielleicht noch ausblenden - so viele sind es nachts um 1 Uhr nicht mehr -, bei den Lastwagen ist es schon schwieriger und bei den Zügen unmöglich. Ich liege in einem Zelt mitten in Linz, im Stadtgarten; fünf Meter sind es bis zur Bundesstraße 42 und nur 20 Meter bis zur Bahnstrecke, die am rechten Rheinufer entlang über Hunderte Kilometer und Hunderte Gemeinden führt.

 

Mit meinen drei Kollegen habe ich mir die Aufgabe gestellt, eine Nacht den Lärm am eigenen Leib zu erfahren - den Geräuschpegel, den die Menschen in Linz tagtäglich erdulden müssen. Die Anlieger, die unmittelbar an der Bahnschiene leben, können ihren Fernseher kaum verstehen, berichtet eine Frau. Gemütlich auf dem Balkon mit Blick auf den Fluss sitzen, ist nicht möglich, denn der Verkehr hat seinen konstanten Klangteppich ausgerollt.

 

Es ist 11 Uhr am Abend, die Zelte stehen. Schon beim Aufbauen mussten wir uns mehrmals anschreien, alle paar Minuten rauscht ein Güterzug vorbei. Die sind besonders schlimm, sagen auch die Anwohner. Die Bremsen quietschen, und die Waggons rattern um die Bahnschwellen. Ungefähr 10 bis 20 Sekunden dauert eine Durchfahrt der langen Gespann. Und Experten etwa von der Bürgerinitiative Pro Rheintal befürchten, dass es bis 2012 bis zu 600 Güterzüge sein könnten, die täglich durch das Rheintal donnern.

 

Für den Güterverkehr scheint weder Tag noch Nacht zu existieren - ein Fahrverbot zu bestimmten Uhrzeiten gibt es nicht. Das Problem: Das Geräusch der Züge ist vollkommen unberechenbar. Gerade will ich einschlafen, da rauschen schon wieder zwei vorbei. Seit zwei Stunden ringe ich mit dem Schlaf. Wenn gerade nichts von den Bahngleisen herüberdröhnt, brettert ein Laster vorbei und lässt den Boden unter meinem Zelt vibrieren.

 

Auch der Stadtbürgermeister von Linz wohnt an der Bahnstrecke. Er habe sich aber inzwischen an den ständigen Geräuschpegel gewöhnt, sagt er. Im Gegenteil: Für ihn sind Bahnstrecke und Bundesstraße ganz einfach Bestandteil von Linz. Touristen kommen auf beiden Wegen in die Gemeinde. Die Trassen sind für ihn wichtiger Bestandteil der Infrastruktur der Stadt. Trotzdem schwingt bei manch einem Linzern die Angst mit. „Ständiger Lärm - das bringt sogar gesundheitliche Beeinträchtigung", sagt eine Passantin in der Nähe des Stadtparks.

 

Auch ich kann es mir vorstellen. Der Krach in meinem Zelt versetzt mich nachts um 1.30 Uhr noch in permanenten Stress, obwohl ich eigentlich müde bin.

 

Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee hofft, dass bereits im Herbst grünes Licht von der EU kommt und der Bund jährlich zehn Millionen Euro an die Bahn zahlen kann, um 130.000 Züge mit sogenannten Flüsterbremsen auszurüsten. Das soll Linderung bringen - auch in Linz und den anderen Städten im Rheintal. Doch die Menschen mit denen wir sprechen, zeigen wenig vertrauen in die Politik. „Es passiert nichts, das Thema wird vor jeder Wahl hoch gekocht", sagt eine Verkäuferin des Cafés Leber, das unmittelbar an den Gleisen liegt.

 

Viele Gemeinden kämpfen entlang des Rheins gegen den Lärm. Zum Teil mit Erfolg: Die Bahn baut Schallschutzwände oder bezahlt für den so genannten passiven Schutz. Dann können sich die unmittelbaren Anlieger der Gleisstrecken etwa dreifachverglaste Fenster einbauen lassen. Doch solche Programme sind immer auch an bestimmte Fristen geknüpft. Doch die, so erklärt uns Manfred Rogetzky, hat er verpasst, weil er erst vor zwei Jahren nach Linz gezogen ist. In dem Haus, das er gekauft hat, musste er den Umbau deshalb selbst bezahlen.

 

Ich gönne mir in dieser Nacht übrigens doch noch ein wenig Schlaf. Anders als meine Kolleginnen, verschaffe ich mir ein wenig Linderung mit Hilfe von Ohrenstöpseln. Trotzdem höre ich den Verkehr um mich herum weiterhin. Zumal sich ab 4.30 Uhr schon wieder der Berufsverkehr über die B 42 wälzt. Ein neuer Tag am Mittelrhein.

 

 

Presseschau: Das sagt die Politk zum Bahnlärm

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