Schwarze Zukunft für die weiße Tradition

Jan Lindner
Jan Lindner

Manfred Ludwig ist nachdenklich geworden: Ist es überhaupt richtig, dass sein 23-jähriger Sohn Stephan den Bauernhof eines Tages einmal übernehmen soll? In diesen Zeiten, in denen der Milchpreis derart im Keller dümpelt, dass Ende des Jahres viele seiner Kollegen keine Kredite mehr bekommen werden.

 

Manfred Ludwig, Bauer aus Monreal, ist sich da nicht mehr so sicher. Es ist so, als ob er diese Frage nicht nur an sich richtet, sondern auch an uns Wahlmobilisten, die wir nur einige Jahre älter sind als Stephan. Immerhin führt Manfred Ludwig den Schnürenhof mit rund 70 Milchkühen zusammen mit seiner Frau Ursula, seinem Sohn und einem Gehilfen schon als sechster in der Erbfolge. Den Familienbetrieb soll es auch in der Zukunft geben. Irgendwie.

 

Aktuell jedenfalls ist das Geschäft mit der Landwirtschaft - das Gewerbe mit Milch, Kühen, Schweinen und Getreide - keins. Die 20 bis 24 Cent pro Liter, die derzeit auf dem Markt gezahlt werden, stehen den Ausgaben für Futter, Gebäude, Strom, Wasser, Versicherungen, Tierarzt, Traktoren und Maschinen gegenüber - Lebenshaltungskosten exklusive. Vor drei Jahren konnten die Bauern noch 35 Cent verlangen, damals, als die Lobby gegenüber den Discountern noch eine ganz andere, eine viel bessere war. Ludwig fehlen nun monatlich zwischen 6000 und 7000 Euro. „Wir, meine Familie und ich, leben rein von Krediten. Und das schaffen wir nicht mehr lang", sagt der 50-Jährige.

 

Deshalb hilft Ludwig und seinen Leidensgenossen Bauern im Moment nur noch eines: in den nächsten ein bis zwei Jahren deutlich unterhalb der Milchquote produzieren - und zwar EU-weit. „Die restliche Milch müssen wir in die Gülle kippen", meint Ludwig. Hilft ja alles nichts. Für 20 Cent jedenfalls „können wir keine Milch produzieren, das ist klar". Ihn ärgert es auch, wenn er sieht, dass Discounter Lebensmittel im Angebot als Lockmittel für ihre Reklame verwenden: „Milch und andere Lebensmittel dürfen einfach nicht verramscht werden. Man darf sie nicht unter ihren Produktionskosten verkaufen." Punkt.

 

Bei all dem Frust, einer Perspektive, die allein auf porösen Säulen der Hoffnung bedenklich vor sich hinwackelt, der Existenzangst, einem Arbeitstag, der um fünf Uhr in der Früh beginnt, um zehn Uhr abends endet, ja, ist es da wirklich richtig, dass sein 23-jähriger Sohn Stephan die Familientradition fortführt? Einerseits ja, denn: Ein Bauer wie Ludwig malocht allein für den eigenen Hof. Andererseits: „Je älter man wird, desto frustrierender ist es. Man investiert immer nur und plant und plant, wie es denn nur weitergehen kann." Wie, das weiß er selbst im Moment auch nicht.

 

 

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 1
  • #1

    Nannuk (Montag, 21 September 2009 23:30)

    Jeden Arbeitstag 126 Euro Minus. Das kann sich ein gern milchtrinkender Verbraucher gar nicht vorstellen. Und da ist der eigene Lohn und Essen und Trinken noch nicht reingerechnet. Lange kann kein Bauernhof sowas tragen. Und wenn sein Konto leer ist? Dann müssen alle Kühe geschlachtet werden. Und wenn das alle Bauern machen? Dann werden wir merken, dass die Milch doch nicht von Aldi/Lidl/Norma kommt, sondern aus Canada und dann soviel kostet, dass wir sie uns nicht mehr leisten wollen. Schwarze Zukunft für eine weiße Tradition. Und die geizigen Geilen waren dabei.